nahmen an den folgenden Tagen die Besichtigung mit eteen
laienhafter Gewissenhaftigkeit [vor], auch Hanf, Seide, Säme
reien, Kohlen und Hölzer, Webestoffe und Maschinen, kurz,
nichts übergehend, auch das nicht, was wir [gar] nicht ver
standen und so [auch] nicht verstehen lernen konnten. Sorg
fältiger freilich beschauten wir die Glaswaaren, welche von
den verschiedenen Ländern hergesendet worden waren, und
freuten uns, daß die böhmischen da gut standhielten.
Daß wir auch London selbst thunlichst gründlich kennen zu
lernen suchten, war wohl selbstverständlich. Am zweitnäch
sten Sonntag fuhren wir wieder nach Richmond, trafen dabei
mit sieben anderen jungen Deutschen zusammen, fielen mit
ihnen in eine Taverne ein, wo wir uns so laut verhielten, daß
die vielen Engländer ringsum es mindestens sonntagswidrig
gefunden habe mochten, was unserer Laune erst recht nicht
Abbruch that. Wir nahmen dann ein Boot, um auf der Themse
zu fahren, die da eher einem See als einem Flusse glich, hiß
ten ein Sacktuch mit den deutschen Farben als Fahne, san
gen frohe Lieder und zogen, wenn wir dem Ufer nahe kamen,
die Hüte, um die uns Angaffenden [lachend] mit einem „own
Penny, Sir“ anzugehen. Nach dem Speisen machten wir sin
gend einen gewundenen Gänsemarsch bis zum Bahnhofe, wo
wir, ohne einen Anstand erfahren zu haben, anlangten. In Lon
don beschlossen wir [zuletzt] in einer Austern-Taverne den
gar fröhlichen Tag.
Wir besichtigten auch Barkley’s weltberühmte Brauerei, in der
man uns die gewaltigen Einrichtungen, die endlosen Kelle
reien und auch als besondere Sehenswürdigkeit einen
Roßknecht zeigte, welcher auf unserem General Hagnau ge
kniet haben soll, als man ihn hier durchprügelte, ein Ereignis,
das den Engländern so gefiel, daß man es in mehreren Thea
tern London’s zur Aufführung brachte. - Nun! -
Am 3. Oktober packten wir, empfahlen uns v©« unseren
freundlichen Hausleuten, fuhren Mittags ab nach Dover und
bei sehr bewegter See über den Kanal. Wir wickelten uns in
die Mäntel, blieben aber auf Deck bei den Maschinen sitzen,
die Sturzwellen erreichten uns wohl auch da, so daß unsere
salzgeschwängerten Hüllen erst nach Tagen wieder völlig
trocken wurden. Seekrank wurden wir allerdings nicht, aber
ganz wohl waren wir doch [auch] nicht geblieben. Um
1/2 3 Uhr Nachts waren wir in Paris. -
Ich bekam Rheuma, das Gesicht schwoll an, aber [dennoch]
besichtigten wir Paris - Versailles mit voller Hingebung; end
lich mußte ich doch einen Arzt zu Rathe ziehen, der mir nebst
Anderem Hausarrest verordnete und mich für nicht reisefähig
erklärte. So blieb denn nichts übrig, als daß der Bruder - am
11. Okt. S allein nach Hause fuhr, denn bedenklich war mein
Befinden nicht. Erst vier Tage später konnte ich ihm nachfoi-
gen.
Als wir nach Paris gekommen waren, hatten wir wohl kein gün
stiges Wetter getroffen, aber das Leben dort gefiel uns doch
sogleich ungemein [viel] besser als jenes in dem übergroßen,
für unser Empfinden gar ungemütlichen London. Wäre nicht
uns Beiden ziemlich unwohl gewesen, würden wir das lebens
freudige Paris gewiß weit besser haben genießen können,
aber so sehr wir uns leider beschränken mußten, so ward uns
doch klar, daß wir immer gerne wieder hierherkommen wür
den, nach London nur, wenn es uns geboten erscheinen-wir-eL
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494 Kleine Vase (Papierschnitt); „französisches Muster“, um 1855-60;
Höhe: 11.2 cm; bez.: „Penlope N 1 / Vill / franz,/ Muster/a 1855/60“
494 Small vase (paper pattem); “French pattern," about 1855-60; height:
11.2 cm
Rückfahrt nach Wien über Brüssel, Köln, Magdeburg, Prag
Die Fahrt ging über Brüssel, wo eine mehrstündige Unterbre
chung stattfand, die ich zu flüchtiger Besichtigung der Stadt
benützte, dann nach Köln, Magdeburg, Prag, immer mit stun
denlangem Aufenthalte, so daß sie normal bis Wien 3 Tage
und 2 Nächte in Anspruch nahm. Diesmal aber, anderthalb
Stunden vor Prag, versagte die Lokomotive, wir stunden wie
der zwei Stunden, bis eine andere kam, uns weiterzuführen;
statt 4 Uhr Morgens kamen wir um 7 Uhr in Prag an, der Wie
ner Zug war längst fort, ich kemte-er-st-rnft-deffl sogenannten
Na6hteHj§ 7 -ck)fy-woflfHGlRH ; wel#4fFe, schon um 3 Uhr Nachmit
tags abging und den Weg über Brünn nahm'; weiterkommefH
traf so erst [am folgenden Tag] um 1/2 8 Uhr Morgens, also
nach 3 Tagen und 3 Nächten bei den Meinen in Währing ein.
Es war ein schöner, warmer, sonniger Sonntagmorgen, ich
machte gleich einen ausgiebigen Vormittagsspaziergang mit,
Kralik war mit Schwester Louise Tags vorher auf Besuch ge
kommen, was unser Aller frohe Stimmung wesentlich [noch]
mehrte. - Meine übrigens unbedenkliche Geschwulst verzog
sich, und gar nicht zu meinem Mißvergnügen, recht langsam,
so daß es thatsächlich [ganz] berechtigt war, meine Reise
nach Slawonien nicht zu beschleunigen. Nun rückte aber die
Zeit des Schlusses der Dampfschifffahrt heran, ich mußte also
doch fort.
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