Reise nach Slavonien 1851
So fuhr ich denn am 29. Nov. mit einem neu aufgenommenen
Beamten [ab]] erst am 2. Dez. früh gelangten wir nach Essegg,
das Wetter und infolge dessen die Straßen waren so schlecht,
daß wir nicht gleich einen Wagen zur Weiterfahrt bekommen
konnten; erst am dritten Tage fand sich ein Kutscher dazu be
reit, nach weiteren drei Tagen kamen wir bis Vuchin, wo ich,
vom Gutsherrn freudig aufgenommen, vier Tage verblieb,
hatte ich doch gar kein Begehren, bald nach Zvecevo zu kom
men [gelangen], Schaffer aber war anderer Ansicht, er
schickte mir also einen Wagen - „der Bien mu ß free“!
Es gab für mich eigentlich nicht genug nachhaltige Arbeit, aber
hin und wieder ernstere Zwischenfälle, wie sie bei einem
größeren Arbeiterstand Vorkommen. Ich verbrachte manche
Tage in Vuchin, so auch den Sylvester- und Neujahrstag, um
die Jahreswende doch etwas angenehmer zu begehen.
Zum 28. Januar war ich einer unwesentlichen Sache wegen
nach Veröje eingeladen, am 29. war Ball in Theresovaz, an
dem ich doch nur der Gesellschaft zu liebe ebenfalls theil-
nahm. Als ich dann am 30. Januar nach Vuchin zurückkam,
theilte mir Hondl, in einem offenen Schreiben, das er mir selbst
übergab, mit, daß es in Zvecevo drunter und drüber gehe.
Pohl, der Beamte, welcher mit mir im November hinunterge
fahren war, kam mit Schaffer in Streit, dieser habe sich auf
sein Zimmer zurückgezogen u. s. w. Ich las das, ohne eine
Miene zu verziehen, hörte ruhig noch Weiteres an und sagte
nur, ich werde augenblicklich hinausfahren.
Ich kam - es war schon dunkel geworden - zu Schaffer, be
merkte ihm, daß ich sehr müde sei, weil ich mir in Vuchin auch
nicht die Zeit genommen hatte, etwas zu essen, also seit Mor
gens nichts genossen hatte; er schwieg, nur sein Söhnchen
bemerkte, Pohl habe den Vater an der Brust gefaßt - es war
also ärger gewesen, als ich dachte. Ich besuchte zunächst alle
Fabrikräume, fand die Arbeit überall im Gang, dies beruhigte
mich; Pohl wollte auch noch sprechen, ich lehnte es ab und
ging ehestens zu Bett.
Morgens hörte ich Pohl beim Frühstück, selbst schweigend,
an, dann ging ich in die Fabrik, wo die anderen Beamten mich
so zu sagen anfielen; ich erklärte, erst in zwei, drei Tagen die
Angelegenheit vernehmen zu wollen, nachdem ich für Morgen
einen Fabrikball anberaumt, dazu auch auswärtige Gäste ge
laden hatte, ich erwarte also ganz bestimmt, daß Alles vermie
den werde, was auf diese einen ungünstigen Eindruck ma
chen könnte. Dann begab ich mich zu Schaffer, hörte seine Er
zählung, war überzeugt, daß ihm einiges Unrecht geschah
und versicherte ihn, er werde Genugthuung erhalten, was ihn
auch besänftigte.
Der Ball verlief zu Aller Freude sehr günstig; [derlei zu veran
stalten war ja meine Sache,]. Ich ließ noch ein paar Tage ver
gehen, damit alle Betheiligten kühler werden, und schlichtete
dann die Sache so gut es ging; es waren beide Theile, wie es
meist der Fall ist, im Unrecht, doch mußte ich trachten, Schaf
fer thunlichst zu decken. Wäre ich auf Hondl's Wink, den sein
mir in Vuchin übergebener Brief enthielt, eingegangen und
hätte ihn ersucht, mir bei der Schlichtung des Zwiespalts
behülfiich zu sein, so hätte das Ganze gewiß eine böse Wen
dung genommen, denn er wäre gegen Schaffer aufgetreten.
{Pebi-kam-meh-eieigor Zeit von Zvec evowegi-er-taugte-nicht
vieh]
Nach Regen folgt Sonnenschein! Unser Ball hatte das Begeh
ren erregt, es möge auch einer in Vuchin stattfinden, dem
Gutsherrn wurde eine diesbezügliche feierliche Bittschrift
überreicht, die er dahin erledigte, daß wenn der Steuereinneh
mer und ich das ganze durchführen wollen, er uns sein Frem
denhaus, das einen hübschen Saal und viele Zimmer enthielt,
sowie Küche und Keller zur Verfügung stelle. Nun mußten wir
mindestens sechs [bis zehn] Stunden im Umkreise, denn es
handelte sich ja für die ganze Gegend um ein außerordentli
ches Ereignis, alle Honoratioren laden, in Vuchin selbst alle
besseren Häuser verzeichnen, in die wir die Betreffenden wie
sen, damit sie dort absteigen und sich mindestens umkleiden
könnten, den Saal mußten wir eigenhändig drapieren u. s. w.
Der Gutsherr gab uns wohl vollste Machtbefugnis über seine
Dienerschaft: wir dürften sie schinden, spießen oder braten,
wie sie uns so besser entsprächen, aber die Schlingel waren
zu sehr an Faulheit gewöhnt, als daß sie uns zu Willen sein
mochten.
Am 18. Februar fand der Ball statt; es kamen 130 Gäste, dar
unter des Gutsherrn Bruder und andere seiner Verwandten
[die sogar eine Tagfahrt zu machen hatten], auch ein anderer
Gutsherr sammt Frau, Tochter und deren Verehrer, die gar
nicht geladen waren, aber der landesüblichen Gastfreund
schaft entsprechend auch freudig aufgenommen wurden.
Nach 7 Uhr schon begann der Tanz, bald ging der schon
72jährige Hausherr schlafen und als er Morgens wiederkam
und sah, daß bei Tageshelle noch so eifrig getanzt werde wie
zwölf Stunden vorher, da freute er sich erst recht darüber, ja er
war geradezu glückselig, so daß er am Morgen selbst noch
eine Stunde tanzte. Nun noch ein gemeinsames Frühstück,
dann fuhren die auswärtigen Gäste fort und träumten wohl
noch unterwegs von dem „großartigen“ Feste, denn seit vielen
Jahren war Aehnliches weit und breit noch nicht dagewesen.
Beim Gutsherrn galt ich nun noch mehr als vorher, er hätte es
gerne gehabt, wäre ich gleich ganz bei ihm geblieben. Thoils
[Halbwegs] konnte ich dem Wunsche Rechnung tragen, denn
auch in der Fabrik gab’s nichts Wesentliches für mich zu thun,
nachdem wieder Alles in’s Geleise gebracht war.
Doch ich hatte mir vorgenommen, nun längere Zeit ununter
brochen in Zvecevo zu bleiben, da sagte mir Schaffer, es sei
dringend geboten, wenn die Fabrik nicht in Verlegenheit we
gen Kalkmangel kommen soll, daß gleich Jemand nach Ber-
ment fahre, er könne nicht weg, ich möchte die Aufgabe über
nehmen. Es war der letzte Februartag, als ich vierspännig
ausfuhr, denn die Wege waren so elendiglich schlecht, daß
man es nicht wagen durfte, mit zwei Pferden die Fahrt anzutre
ten. Um gleich noch Anderes zu besorgen, hatte ich vorher
rasch die Konskription des ganzen Fabrikpersonales aufge
nommen. In Veröje [Veröce] mußte ich bleiben, denn der Vice-
gespann war weggefahren, kam erst nach zwei Tagen zurück;
ich hatte mit ihm die Konskriptionsangelegenheit, die Paß-
und Rekrutenfrage unserer Leute zu erledigen, was mir gut
gelang. Es schneite, als ich weiter fuhr, fort und fort, was, da es
hier keine überdeckten, geschweige denn geschlossenen Wa
gen gab, recht unbehanglich war; dazu brauchte ich trotz Vier
gespann bei den grundlosen Straßen acht Stunden, um [nur]
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