MAK

Volltext: Ludwig Lobmeyr - schöner als Bergkristall

JOSEF LOBMEYR (1792-1855): 
GLASHÄNDLER, GLASFABRIKANT, GLASVERLEGER 
Verglichen mit Ludwig Lobmeyr liegen Leben und Wirken des Firmen 
gründers Josef Lobmeyr noch weitgehend im Dunkeln. Robert 
Schmidt stützte sich in seinem Standardwerk von 1925 im wesentli 
chen auf die Autobiographie von Ludwig Lobmeyr, um die erste Fir 
menperiode unter Josef Lobmeyr darzustellen; auch das älteste erhal 
tene Geschäftsbuch (ab 1823) und die 18 Werkzeichnungsbände, die 
Ludwig Lobmeyr 1882 und 1892 dem Österreichischen Museum für 
Kunst und Industrie widmete, dienten ihm als Quellen. Nur in wenigen 
Beispielen zog Schmidt die Dokumente der Biedermeierzeit aus dem 
Firmenarchiv heran. Gerade diese aber sind außerordentlich auf 
schlußreich, enthalten sie doch in Form maßstabgetreuer Papier 
schnitte und deren Beschriftungen (oft mit Angaben über Funktion, 
Dekor, Technik, Stückzahl, ausführende Hütten bzw. Raffineure, Da 
tierungen usw., s. Abb. 8-10, S. 15) bisher kaum bekannte Informatio 
nen. In der vorliegenden Publikation wurde zwar versucht, die auf den 
Schnitten stark abgekürzten Hinweise zu entschlüsseln (s. S. 401- 
403); dennoch blieben manche Angaben rätselhaft. 
Im ersten erhaltenen Geschäftsbuch von Josef Lobmeyr, die Jahre 
1823-24 enthaltend und vorne mit „B“ bezeichnet, finden wir die Na 
men einiger wichtiger Geschäftspartner jener Zeit: Rösler (s. S. 92- 
94), Hafenbrädl, Blechinger u. a. m. Näheres über ihre Unternehmen 
und anderen auf den Lobmeyr-Schnitten vermerkten Hütten und Ver- 
edlern sowie deren Standorte entnehmen wir zeitgenössischen Publi 
kationen und Landkarten (s. S. 406 - 415): „In der Silberberg= u. Bo- 
naventurhütte. Fabriksdirektor: Herr Barth. Rößler. Kristallglas, in allen 
Farben feingefärbtes Glas. Schleife und Kreidenglas; in der Bonaven- 
turhütte: Kredenz= und Stockuhrgläser, dann Cylinder . ... / Herr 
schaft Krummau. In Ernstbrunn bei Christianberg. Hr. Johann Blechin 
ger. Hohl=, Tafel= und raffinirte Glaswaaren. “..; 7 Zu Heraletz, die Ob 
rigkeit. Pächter: Hr. Ignaz Hafenbrädel, Tafelglas.“ (Handbuch 1844, 
S.718). 
Josef Lobmeyr, dessen eigene Produktion in den slavonischen Glas 
hütten Marienthal und Zvecevo wir bislang noch nicht identifizieren 
können, bezog die meisten Gläser aus bestimmten Zentren der 
böhmischen Glasindustrie: dazu gehörte der Haida-Steinschönauer 
Glasraffinerie-Bezirk in Nordböhmen ebenso wie die Harrachsche 
Glashütte in Neuwelt (s. S. 415, Abb. 832, 833); in Südböhmen waren 
es die nördlich der österreichischen Grenze gelegenen Gebiete um 
Gratzen mit den Bouquoy’schen Hütten Silberberg und Schwarzthal 
sowie den Hütten von Meyr’s Neffen in Adolph, Winterberg, Eleo 
norenhain und Ernstbrunn (s. S. 411, Abb. 827, 828); dann - weiter 
westlich - die Umgebung von Bergreichenstein mit der Vogelsang 
hütte und der Goldbrunnhütte (s. S. 410, Abb. 826) sowie manch an 
dere, auf bestimmte Produkte spezialisierte Glashütten. 
Ein Teil des Warenangebots aus der ersten Firmenperiode ist auf 
einer Geschäftskarte (S. 141, Abb. 344) in repräsentativen Beispielen 
illustriert: Service, Aufsätze, Ampeln und Kronleuchter. Detailreicher 
gibt ein Wiener Adreßbuch aus dem Jahre 1849 darüber Auskunft: „Hr. 
Lobmeyer Joseph, Besitzer der Glasfabrik Marienthal und Zwe- 
chewo in Slavonien, bürgert. Glaser und Glashändler, empfiehlt sich 
mit seiner äußerst reich und brillant assortirten Glaswaarenfab- 
riks=Niederlage vom ordinärsten bis zum feinsten raffinirtesten 
Krystall in allen Farben, gemalt und vergoldet, nach den neuesten An 
forderungen der Industrie, Kunst, Mode und Luxus; Tafel= und Des- 
sert=Service von allen Gattungen von 6 bis 50 und mehr Personen; 
alle Arten der schönsten Toilette=Gegenstände von feinstem Ge- 
schmacke und nach den neuesten Modellen. Eine besondere Auswahl 
von allen Größen flacher französischer Cylinder=, englisch=geschlif- 
fener und ordinärer Sackuhrgläser nebst allen andern Sorten größerer 
Uhrgläser; alle Arten gebogene Auslagstafeln, ordinäre und feine Fen 
stertafeln von weißem und Farbenglase; dann ovale und andere 
Stürze mit und ohne Postament, gepreßte Glasgegenstände jeder Art, 
wie auch gefaßte und ungefaßte Diamanten, nebst Kunstaugen für 
Menschen und Thiere. Alle In dies Fach einschlagenden Bestellungen 
werden angenommen und auf das Pünktlichste ausgeführt in der Fa 
briksniederlage; Stadt, Kärntnerstra ße 940, Eck der Weihburggasse. “ 
(Gottfried 1849, Adressen-Buch, S. 268-269). Bereits 1839 hatte Lob 
meyr in Wien an der „zweiten allgemeinen österreichischen Gewerbs- 
Producten-Ausstellung“ mit einer reichen Palette von Exponaten teil 
genommen (s. S. 112,113 , Abb. 282, 283). 
Josef Lobmeyr war ein weitgereister Mann, der - neben den obligaten 
Besuchen der eigenen Glashütten - die Verbindung zu anderen Fabri 
kanten und Veredlern ebenso pflegte wie einschlägige Erfahrungen 
im europäischen Ausland suchte. Seine Preßglas-Studien in Frank 
reich (1840) sind hinlänglich bekannt (s. S. 117,120); belegt sind aber 
auch seine früheren Ansuchen um Reisegenehmigungen in andere 
europäische Länder und jn jene der Monarchie: 1832 für Prag und 
„conscrib. Staaten“, 1834 für Leipzig und London, 1835 für Iglau und 
die „conscrib. Staaten“, 1836 für Paris (Paßprotokolle, Wiener Stadt- 
und Landesarchiv). Nach .Rußland (s. S. 138) und Ägypten (s. S. 168) 
wurden schon bald Krön- und Wandleuchter geliefert. 
Als Glashändler finden wir im Adreßbuch (1837) neben Lobmeyr (der 
in jener Zeit eine beachtliche Zahl von Gläsern für das Fabriksproduk- 
tenkabinett beisteuerte) noch Joseph Bleil, Johann Georg Brückner 
sei. Witwe, Franz Luttenberger und Franz Rohrweck (Wildauer 1837, 
S. 197, 198). In der Rubrik „Glasmaler“ wird dort ein prominenter 
Name angeführt: „Hr. Kothgaßner Anton, verfertiget die feinste Ma 
lerei und Vergoldung auf Trinkgläser mit den sinnreichsten Emblemen, 
Devisen etc., entweder nach eigener Idee oder nach selbstbeliebiger 
Angabe, auch beschäftiget er sich mit der Malerei von Kirchenfenstern 
und Apotheker=Signaturen u. s. w., auf der alten Wieden, Fleisch 
mannsgasse 456, im 3. Stocke.“(Wildauer 1837, S. 198). Dies ist für 
uns deshalb von Bedeutung, als Kothgasser zahlreiche Ranftgläser 
bei Lobmeyr erwarb (s. S. 42-45). Weniger bekannt ist, daß in Wien 
damals auch Glasschleifer - wie Carl Brückner - tätig waren, dieihr 
Rohglas von einem der genannten Glashändler, sicher auch von Lob 
meyr, bezogen (Wildauer 1837, S. 198). Aufschlußreich sind auch die 
Hinweise auf „K, K. erbländisch privil. Fabriken“ und ihre Wiener Nie 
derlagen (Wildauer 1837, S. 321 ff.), da sie in mancherlei Beziehung 
zu Lobmeyr stehen (Lobmeyr hatte .1838 das gesamte Warenlager 
von Janke & Görner übernommen, s. S. 114, 115): „Hm. danke und 
Görner, k. k. landesbefugte Glas=Raffinirung, aus Blattendorf [siel] 
in Böhmen, Kohlmarkt 253.“ (Wildauer 1837, S. 326) sowie „Hr. 
Knöspei Johann, privil. Glaswaaren=Fabrik zu Blottendorf in Böh 
men . . . hat die Niederlage auf dem Kohlmarkte 1152.“ (Wildauer 
1837, S. 327) und „Hofmann Wilhelm, k. k. Hof-Kristallglas-Handlung 
und k. k. landesbefugte Glasfabriks-Niederlage, hält ein vollständig 
assortirtes Lager der vorzüglichsten Erzeugnisse der böhmischen 
Glasfabrication. Stadt, am Lugeck 768; in Prag: am kleinen Ring 456. “ 
(Adressenbuch 1849, S. 273). Hofmann, in Prag wohl in vergleichba 
rer Funktion wie Lobmeyr in Wien tätig, war offensichtlich ebenfalls 
Glashändler und -fabrikant: „Erzeugt in den eigenen Raffinerien in 
Meistersdorf, Blottendorf u. Tannenberg bei Hayda und Steinschönau 
in Böhmen alle in das Fach der Hohlglasindustrie einschlagen 
den Artikel. “(Ackermann, nach 1866, S. 188). Wie erhaltene Schnitte 
mit den Buchstaben WHP beweisen, waren Hoffmann und Lobmeyr 
miteinander geschäftlich verbunden; eine Parallele stellt auch Lob- 
meyrs Raffinerie in Blottendorf zum Hoffmannschen Veredlungsbe 
trieb dar (s. S. 231). 
Als Josef Lobmeyr starb, war das „slavonische Abenteuer“ zwar been 
det, doch stand seine Firma auf einem hervorragenden Fundament. 
Seinen Söhnen hatte er eine gute Ausbildung angedeihen lassen und 
sie frühzeitig mit wichtigen Aufgaben betraut; nach dem Tod von Josef 
Lobmeyr jun. war es Ludwig Lobmeyr als Alleininhaber möglich - vor 
allem durch die Teilnahme an den Weltausstellungen - dem Unter 
nehmen internationale Anerkennung zu sichern. 
14
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.