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Volltext: Ludwig Lobmeyr - schöner als Bergkristall

eine Meile zurückzulegen, und dann fielen die Pferde, welche 
theils bis zum Bauch im Koth waten mußten im Stalle vor Mü 
digkeit wie Kühle um. 
Endlich am fünften Tage machte ich in Siklö’s das Kalkge 
schäft ab und fuhr ehestens nach Essegg weiter, um dort in 
unserer Prozeßangelegenheit Nachfrage zu halten und sie wo 
möglich zu fördern. Drei Tage blieb ich ziemlich zwecklos. Die 
Rückfahrt war nicht minder beschwerlich. 
Rückkehr nach Wien und Reise nach Slavonien 1852 
Es vergingen noch ein paar ereignislose Wochen; [dann] rei 
ste ich am 5. April fort nach Wien, kurz vorher berief ich noch 
Pohl, [der im Jänner jenen Auftritt mit Schaffer hatte,] sagte 
ihm, er könne, wie er mit mir kam, auch mit mir gehen, sonst 
ehestens allein, denn bleiben dürfe er nicht - er bat, ich sagte 
Nein, ich wolle den Frieden sichern. [Er fügte sich.] 
Des Gutsherrn 94 Jahre alte Mutter war besorglich schwach 
geworden; er beauftragte mich, sie ja in Ofen zu besuchen, 
was ich auch [gargerne] that. Zuerst wollte mich begreiflicher 
weise die Dienerschaft abweisen, dann ward ich freudig auf 
genommen, konnte nicht genug erzählen; zwei Tage darauf 
war sie nicht mehr unter den Lebenden. 
Aber nicht zu lange durfte ich mir die so gebotene Auffrischung 
gönnen, denn Schaffer begehrte wieder dringend nach mir. Ich 
freute mich ganz anders über die mir liebe Arbeit zu Hause, als 
überall’ die Vergnügungen, den geselligen Verkehr, in dem 
sinnliche Späße eine Rolle bis zum Ueberdruß spielten, und 
das zeitweise Nichtsthun da unten, aber das konnte nicht ir 
gend maßgebend sein. Am 10. Mai also fuhr ich wieder, dies 
mal über Graz, Marburg, Warasdin nach Vuchin, wo mich der 
Gutsherr, der nicht so betrübt war als ich’s besorgte, freundlich 
und freudig umarmte. Auch Schaffer fand ich in besserer 
Laune, als ich’s gedacht hatte. Es gab Kommissionen wegen 
Einführung der Einkommensteuer u. A. m., weshalb ich bald 
dort, bald dahin fahren mußte, es gab Arbeit, es gab Vergnü 
gen. [Dann] kam die Bereisung Ungarns durch unseren Kai 
ser und auf den bestimmtesten Wunsch des Gutsherrn mußte 
ich mit so und so viel Herren und Frauen mit nach Fünfkirchen, 
um dem Einzug des Monarchen am 28, Juni beizuwohnen. Es 
war ein mächtiger Blumenbogen unmittelbar vor der Stadt auf 
gestellt, etwas weiter drinnen eine große Triumphpforte errich 
tet mit gelben und violet-blauen - schwarzgelb durfte es doch 
nicht sein [„oder man hatte keinen schwarzen Stoff bekom 
men“] - Tüchern gut geschmückt, auf den vier Seiten unga 
risch: „Eljen! Eljen! Eljen! Franz Josef I! Wir lieben unser Vater 
land und darinnen den König.“ Ein dritter Triumphbogen bei 
der Kirche war weiß-roth tapeziert; es gab in den Straßen eine 
Menge kroatischer, ungarischer und selbst kaiserlicher Fah 
nen, Blumengewinde, manche Fenster mit Teppichbehang, 
eine Unmasse Volk und, was doch immer die Hauptsache 
bleibt, wirklichen Jubel und begeisterte Zurufe für den jugend 
lichen Kaiser, als er Vormittags 11 Uhr in Husarenuniform ein- 
fuhr, die Stadt besichtigte, und nach eingenommenem Imbiß 
um 2 Uhr wieder davoneilte, um die große, anstrengende Tour 
fortzusetzen. - Ein weiteres halbes Jahr verging [nun] für 
mich recht und schlecht. Alle vierzehn Tage kamen am Sams 
tag die Holzhauer und Pottaschebrenner, durchwegs Illyrier, 
aus den Wäldern herein, um Kukuruz- und anderes Mehl, 
Speck, Salz, Tabak, auch Kleidungsstücke u. A. m. zu „fas 
sen“. Was sie dazu noch von ihrem Verdienste baar auf die 
Hand bekamen, wurde gleich zum guten Theil vertrunken und 
dann, wie in Steyermark, Tirol und in Bayern, an Kirchtagen 
und jeder anderen [guten] Gelegenheit gerauft. Geschah dies 
in gewissen Schranken, so war’s wohl das Klügste, es einfach 
geschehen zu lassen. Da kam ich aber einmal mit einem Be 
amten an’s Wirthshaus und entnahm dem wilden Geschrei 
drinnen, daß es mit der Gemütlichkeit schon sehr zu Ende war. 
Der Beamte wollte mich zurückhalten, weil offenbar die Leute 
schon vollgetrunken waren, ich schritt aber hinein, eine Fla 
sche sauste an meinem Kopf vorüber und zerschellte am 
Thürpfosten, aber bis auf die zwei blutbedeckten Kämpfen 
den, denen die Hemden in Fetzen vom Leibe hingen, wichen 
die Kerle, als sie mich sahen, doch zurück, jene hielten im Rin 
gen inne und der offenbar kräftigere wollte mich in seiner Mut 
tersprache zum Schiedsrichter anrufen. Ich verstand nur, daß 
er mich „Vater“ anrief, dachte mir wohl nun: Dein „Vater“ ver 
lange ich mir gewiß nicht zu sein; da aber darin die Anerken 
nung meiner Autorität lag, fand ich’s nicht ungünstig, befahl 
a&ef dem Beamten, mein neuestes Söhnchen hinauszuführen 
und zu überwachen, daß es fortkomme, dem es sich auch w4- 
[nahezu demüthig] fügte. Den anderen, wenig gerathenen 
Söhnen gab ich nun in ein paar scharfen Worten meine Mi ßbil- 
ligung kund, sie verstanden sie kaum, nur Ton und Miene 
konnten wirken. Sie gingen, packten, was sie „gefaßt“ hatten, 
zusammen und zogen fort in die Wälder, unterwegs gewiß be 
schließend, nächstens die Rauferei entsprechend fortzuset 
zen. Sicheres Auftreten und wenige Worte wirken aeeb auf 
solche Gesellen mehr, als em Redeschwall und Schimpfworte, 
wie es Schaffer’s Weise war, der [sich] damit oft die Schlich 
tung störender Vorkommnisse erschwerte. 
Die Neueinführung der österr. Gesetze und Einrichtungen be 
dingte manche amtliche Verhandlungen in Vuchin, Veröze, in 
Possega, selbst in Essegg, und da die [staatlichen] Beamten 
selbst völlig unsicher waren [schienen], war es erst recht ge 
boten, mitzuthun, um [damit], wenn man schon den Vorschrif 
ten nicht völlig [kaum überall] gerecht wurde, dies nicht zu un 
serem Schaden geschehe. Auch wegen zu säumiger Schuld 
ner, wegen diebischer Arbeiter oder Einschieicher u. A. m. 
gab’s Gerichtsverhandlungen und da [weil] es besser war, 
[auch] derlei auf mich zu nehmen, hatte ich viel herumzufah 
ren. 
Als ich ein mal solchen Anlasses halber nach Possega kam, 
was - in Esseg war’s auch nicht anders - kaum daß ich einge 
fahren, allgemein bekannt wurde, kam sogleich ein freundli 
cher junger Herr, ein Komitatsbeamter oder dgl., mich zu sei 
nem Mittagstisch zu laden. - Ich bringe dioso kloino Erzäh 
lung, um doch auch etwas hoitoros oinzufügon. Seine Schwe 
ster, ein klassisch schönes Mädchen, hatte vor kurzem unsere 
Fabrik besucht, sie kam Mittags im Gasthause zu meinem, 
dem einzigen Herrentisch; ich brauchte mich gewiß nicht zu 
zwingen, um ihr gegenüber aufmerksam zu sein, ihr passend 
zu huldigen, um so mehr als sie auch recht liebenswürdig war. 
Vielleicht legte sie dem eine Bedeutung bei, welche es nicht 
hatte, kurz, ich wurde zu Tisch geladen, befand mich nebst der 
Schönen und ihrem Bruder noch einem Dutzend anderen Gä 
sten gegenüber. Bald begannen die Toaste, denn nach Lan- 
194
	        
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