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Volltext: Ludwig Lobmeyr - schöner als Bergkristall

dessitte durfte auch nicht Einer unangesprochen bleiben. Der 
Betreffende mußte sein Glas leeren, danken [eine Dankrede 
halten] und wieder trinken, daß keine Neige blieb; die Damen 
dagegen ernannten einen Sprecher, der für sie danken und 
erst recht im Trinken vollsten Bescheid thun mußte. Die erste 
der Frauen bezeichnete mich als ihren Vertreter; ich säumte 
nicht, meiner Verpflichtung zu genügen, die Wahl der zweiten, 
der dritten, der vierten fiel wieder auf mich, ich merkte wohin 
dies hinaussollte: nämlich mich unter den Tisch zu trinken 
[bringen], was da allerdings weniger beschämend oder gar 
abstoßend gewesen wäre, als z. B. bei uns. Aber so sehr ich 
mich [wie sonst auch hier] im Allgemeinen aeeb verpflichtet 
fühlte, zum Vergnügen der Mitgäste beizutragen, jene Freude 
wollte ich den Anderen doch nicht machen. Als mir nun die 
Auszeichnung wurde, auch der Auserwählte der fünften Dame 
zu werden, sagte ich beiläufig: „Ich habe nun schon mehrere- 
male freudigst nach Landessitte den Dank für die Damen ab 
gestattet, welche mich damit zu betrauen die Liebenswürdig 
keit hatten, ich möchte mir nun gestatten, zunächst die Dame, 
für weiche ich jetzt sprechen darf, dann auch die gesamte ge 
ehrte Tafelrunde zu fragen, ob ich nicht der Abwechslung hal 
ber diesmal in antiker Weise vorgehen darf.“ Niemand ahnte, 
was ich beabsichtigte, um so neugieriger waren Alle und riefen 
„Ja“. Ich endete, nachdem ich das Gebotene vorgebracht 
hatte, meine Rede damit, daß ich sage: „und nun weihe ich 
den Trank den Göttern“ und schüttete den Wein kopfüber auf 
den übrigens nur einfach gedielten Boden. Man verstand 
mich, man lachte nicht nur, sondern zollte mir sogar Beifall, da 
man aber doch nicht wünschte, daß ich da ein Weinfu ßbad be 
reite, wurde ich zu keiner Vertretung mehr auserkoren. Ich fuhr 
[wohlbehalten] am Abend zurück [und] habe nie wieder etwas 
von dem gar schönen Mädchen erfahren. - 
Der Gutsherr, wenn er seine verwandten Damen zu Gaste be 
kam, verlangte mich als Cavaliere servente, was aber nicht 
immer eine vergnügliche Aufgabe war, um so mehr als die Da 
men voll hochadeligem Selbstbewußtsein, unter sich afeef 
[eben] nicht [sehr]einig waren, was jedoch unseren Gutsherrn 
[geradezu] belustigte. Da uns an seinem Wohlwollen im Inter 
esse der Fabrik sehr gelegen sein mußte, so erfüllte ich auch 
diesen seinen Wunsch, [was ja] was auch meinem Ge- 
schmacke gerade nicht widerstrebte. Manchmal freilich ka 
men Anwandlungen; ich fand, daß ich doch so gar viel Zeit ver 
geude. Schaffer’s ältestes Töchterchen, ein §af liebes Kind 
von vierzehn Jahren erkrankte; ganz unvermuthet ertönte die 
Glocke: es war das Todtengeläute! Das junge Wesen war 
überrasch dahingegangen. - Mich berührte diese Erinnerung 
an die Vergänglichkeit recht inniglich und ich bemühte mich, 
die bekiagenswerthen Eltern zu trösten. 
Jahreswechsel 1852/53 in Slavonien - der Räuber Jovo 
Es kam der 14. Dezember heran, ich beschäftigte mich schon 
viel und gerne mit dem Gedanken, den Jahreswechsel 1852- 
53 daheim zu begehen, da, als ich mich zum Nachtessen be 
gab, trat der Wirth an mich mit den Worten heran: Herr, der 
Jovo war da! - Das war ein vogelfrei erklärter, sehr gefürchte 
ter Räuber, der mit einigen Genossen die ganze Gegend unsi 
cher machte [aber, man kann sagen „nach Landessitte“ den 
Bauern nichts erhalte, also bei diesen auch Unterkommen 
fand, wenn er’s begehrte.] . Und weiter? trug ich [völlig 
ruhig], - Er verlangte Raki (Schnaps), Brod und eine Kerze 
[dazu], Zündhölzer, [auch eine Pfeife sammt] Tabak und oino 
Pfeife, und als ich ihm - so erzählte der Wirth - unter den Hut 
sah, sagte er; ja, ich bin [der] Jovo, wenn du dich aber rührst, 
ist’s um Dich geschehen. Dann ging er gegen die Fabrik und 
die Viktualienkammern zu und verschwand im Dunkel. 
Ich überdachte die Lage, während ich nachtmahlte, [und] ging 
[dann] zu Hondl; der sagte, er werde in die Fabrik gehen, wo 
die Nacht durch am Glasofen gearbeitet werde, dort werde 
ihm Jovo keinen Besuch abstatten; ich möge mitkommen, wir 
dürften so die Nacht recht leidlich verbringen. Ich dankte für 
den Rath, ging zu Schaffer, der schon sein geladenes Doppel 
gewehr auf dem Tisch liegen hatte, um, wenn Jovo käme, sich 
zur Wehre zu setzen. Ich bat ihn, die Waffe wieder an die 
Wand zu hängen, sagte, er müsse morgen frühestens wieder 
bei der Arbeit sein, er solle [darum] mit den Seinen zu Bette 
gehen, ich werde dableiben, die Kerzen verlöschen und wa 
chen, um zu sehen, was auf der günstigerweise mondhell be 
leuchteten Straße allenfalls vorgeht und gebotenen Falles 
auch mit Jovo unterhandeln, wenn er herkommen sollte. 
Zunächst beorderte ich mehrere Schleifer, welche die Nacht 
nicht zu arbeiten hatten, zu je zweien mit stundenweiser Ab 
wechslung die Fabrikstraße hin und her zu patrouilliren, damit, 
wenn ja wo Feuer gelegt werden sollte, Alles möglichst rasch 
durch ein Paar Flintenschüsse alarmirt werde. 
Es war weit und breit bekannt, daß Schaffer, dor aueh-diosfalls 
eise [die] fixe Anschauung hatte, nämiiefr seine Ersparnisse 
lieber zinslos in Edelmetall zu hüten, als sie fruchtbringend an 
zulegen, all sein Erworbenes bei sich habe; es war somit nicht 
unwahrscheinlich, daß ihm zunächst Jovo’s Besuch zuge 
dacht sei. In diesem Falle sagte ich Schaffer, werden wir ihm 
das Geld geben, das [welches] ich bereit hielt, und wenn Jovo 
will, auch noch ein paar Speckseiten od. A. m. dazu, aber zur 
Wehr setzen wir uns nicht, denn wenn ein Schuß fiele, stecken 
wahrscheinlich seine Raubgesellen die beiläufig dreißig Heu 
schober, welche bei den Arbeiterhäusern stehen, in wenigen 
Minuten alle in Brand, [und] die Fabrik sammt Ihrem Silber 
geld ist verloren, ich bleibe darum hier im Hause, um ein unbe 
dachtes Vorgehen zu verhindern. 
Ich lehnte am großen Tisch in der Mitte des Zimmers und 
horchte; es brauchte geraume Zeit, bis ich an den gleichmäßig 
sich nähernden Schritten die der Patrouille erkannte, ohne da 
von beunruhigt zu werden, dann hörte ich ein mir sonderbares 
Geräusch im Hause selbst, das in der Nachtstille etee Bedeu 
tung gewann, ich sann nun ; - es waren [wohl nur] Ratten, wie 
sie in einem Riegelwandbau oft Vorkommen. Nun kam Je 
mand rasch näher, die kleine GangThüre des offenen Ganges 
wurde goöffnot [aufgerissen], dann an’s Fenster gepocht, ich 
schwieg. Schaffer erwachte, rief: was giebt’s - Bitte, sagte der 
Lehrbube, wir haben das Vorgeschriebene aufgearbeitet, was 
sollen wir weiter machen? Die Entscheidung erfolgte. So 
wurde es über 1 Uhr nach Mitternacht, ich weckte Schaffer, um 
ihm zu sagen, ich vermöge mich nicht mehr wach zu erhalten; 
er erwiederte, wenn Jovo bis jetzt nicht gekommen sei, haben 
wir weiter nichts zu befürchten; ich überließ mich also gerne 
ebenfalls dem beruhigenden Schlummer. 
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