dessitte durfte auch nicht Einer unangesprochen bleiben. Der
Betreffende mußte sein Glas leeren, danken [eine Dankrede
halten] und wieder trinken, daß keine Neige blieb; die Damen
dagegen ernannten einen Sprecher, der für sie danken und
erst recht im Trinken vollsten Bescheid thun mußte. Die erste
der Frauen bezeichnete mich als ihren Vertreter; ich säumte
nicht, meiner Verpflichtung zu genügen, die Wahl der zweiten,
der dritten, der vierten fiel wieder auf mich, ich merkte wohin
dies hinaussollte: nämlich mich unter den Tisch zu trinken
[bringen], was da allerdings weniger beschämend oder gar
abstoßend gewesen wäre, als z. B. bei uns. Aber so sehr ich
mich [wie sonst auch hier] im Allgemeinen aeeb verpflichtet
fühlte, zum Vergnügen der Mitgäste beizutragen, jene Freude
wollte ich den Anderen doch nicht machen. Als mir nun die
Auszeichnung wurde, auch der Auserwählte der fünften Dame
zu werden, sagte ich beiläufig: „Ich habe nun schon mehrere-
male freudigst nach Landessitte den Dank für die Damen ab
gestattet, welche mich damit zu betrauen die Liebenswürdig
keit hatten, ich möchte mir nun gestatten, zunächst die Dame,
für weiche ich jetzt sprechen darf, dann auch die gesamte ge
ehrte Tafelrunde zu fragen, ob ich nicht der Abwechslung hal
ber diesmal in antiker Weise vorgehen darf.“ Niemand ahnte,
was ich beabsichtigte, um so neugieriger waren Alle und riefen
„Ja“. Ich endete, nachdem ich das Gebotene vorgebracht
hatte, meine Rede damit, daß ich sage: „und nun weihe ich
den Trank den Göttern“ und schüttete den Wein kopfüber auf
den übrigens nur einfach gedielten Boden. Man verstand
mich, man lachte nicht nur, sondern zollte mir sogar Beifall, da
man aber doch nicht wünschte, daß ich da ein Weinfu ßbad be
reite, wurde ich zu keiner Vertretung mehr auserkoren. Ich fuhr
[wohlbehalten] am Abend zurück [und] habe nie wieder etwas
von dem gar schönen Mädchen erfahren. -
Der Gutsherr, wenn er seine verwandten Damen zu Gaste be
kam, verlangte mich als Cavaliere servente, was aber nicht
immer eine vergnügliche Aufgabe war, um so mehr als die Da
men voll hochadeligem Selbstbewußtsein, unter sich afeef
[eben] nicht [sehr]einig waren, was jedoch unseren Gutsherrn
[geradezu] belustigte. Da uns an seinem Wohlwollen im Inter
esse der Fabrik sehr gelegen sein mußte, so erfüllte ich auch
diesen seinen Wunsch, [was ja] was auch meinem Ge-
schmacke gerade nicht widerstrebte. Manchmal freilich ka
men Anwandlungen; ich fand, daß ich doch so gar viel Zeit ver
geude. Schaffer’s ältestes Töchterchen, ein §af liebes Kind
von vierzehn Jahren erkrankte; ganz unvermuthet ertönte die
Glocke: es war das Todtengeläute! Das junge Wesen war
überrasch dahingegangen. - Mich berührte diese Erinnerung
an die Vergänglichkeit recht inniglich und ich bemühte mich,
die bekiagenswerthen Eltern zu trösten.
Jahreswechsel 1852/53 in Slavonien - der Räuber Jovo
Es kam der 14. Dezember heran, ich beschäftigte mich schon
viel und gerne mit dem Gedanken, den Jahreswechsel 1852-
53 daheim zu begehen, da, als ich mich zum Nachtessen be
gab, trat der Wirth an mich mit den Worten heran: Herr, der
Jovo war da! - Das war ein vogelfrei erklärter, sehr gefürchte
ter Räuber, der mit einigen Genossen die ganze Gegend unsi
cher machte [aber, man kann sagen „nach Landessitte“ den
Bauern nichts erhalte, also bei diesen auch Unterkommen
fand, wenn er’s begehrte.] . Und weiter? trug ich [völlig
ruhig], - Er verlangte Raki (Schnaps), Brod und eine Kerze
[dazu], Zündhölzer, [auch eine Pfeife sammt] Tabak und oino
Pfeife, und als ich ihm - so erzählte der Wirth - unter den Hut
sah, sagte er; ja, ich bin [der] Jovo, wenn du dich aber rührst,
ist’s um Dich geschehen. Dann ging er gegen die Fabrik und
die Viktualienkammern zu und verschwand im Dunkel.
Ich überdachte die Lage, während ich nachtmahlte, [und] ging
[dann] zu Hondl; der sagte, er werde in die Fabrik gehen, wo
die Nacht durch am Glasofen gearbeitet werde, dort werde
ihm Jovo keinen Besuch abstatten; ich möge mitkommen, wir
dürften so die Nacht recht leidlich verbringen. Ich dankte für
den Rath, ging zu Schaffer, der schon sein geladenes Doppel
gewehr auf dem Tisch liegen hatte, um, wenn Jovo käme, sich
zur Wehre zu setzen. Ich bat ihn, die Waffe wieder an die
Wand zu hängen, sagte, er müsse morgen frühestens wieder
bei der Arbeit sein, er solle [darum] mit den Seinen zu Bette
gehen, ich werde dableiben, die Kerzen verlöschen und wa
chen, um zu sehen, was auf der günstigerweise mondhell be
leuchteten Straße allenfalls vorgeht und gebotenen Falles
auch mit Jovo unterhandeln, wenn er herkommen sollte.
Zunächst beorderte ich mehrere Schleifer, welche die Nacht
nicht zu arbeiten hatten, zu je zweien mit stundenweiser Ab
wechslung die Fabrikstraße hin und her zu patrouilliren, damit,
wenn ja wo Feuer gelegt werden sollte, Alles möglichst rasch
durch ein Paar Flintenschüsse alarmirt werde.
Es war weit und breit bekannt, daß Schaffer, dor aueh-diosfalls
eise [die] fixe Anschauung hatte, nämiiefr seine Ersparnisse
lieber zinslos in Edelmetall zu hüten, als sie fruchtbringend an
zulegen, all sein Erworbenes bei sich habe; es war somit nicht
unwahrscheinlich, daß ihm zunächst Jovo’s Besuch zuge
dacht sei. In diesem Falle sagte ich Schaffer, werden wir ihm
das Geld geben, das [welches] ich bereit hielt, und wenn Jovo
will, auch noch ein paar Speckseiten od. A. m. dazu, aber zur
Wehr setzen wir uns nicht, denn wenn ein Schuß fiele, stecken
wahrscheinlich seine Raubgesellen die beiläufig dreißig Heu
schober, welche bei den Arbeiterhäusern stehen, in wenigen
Minuten alle in Brand, [und] die Fabrik sammt Ihrem Silber
geld ist verloren, ich bleibe darum hier im Hause, um ein unbe
dachtes Vorgehen zu verhindern.
Ich lehnte am großen Tisch in der Mitte des Zimmers und
horchte; es brauchte geraume Zeit, bis ich an den gleichmäßig
sich nähernden Schritten die der Patrouille erkannte, ohne da
von beunruhigt zu werden, dann hörte ich ein mir sonderbares
Geräusch im Hause selbst, das in der Nachtstille etee Bedeu
tung gewann, ich sann nun ; - es waren [wohl nur] Ratten, wie
sie in einem Riegelwandbau oft Vorkommen. Nun kam Je
mand rasch näher, die kleine GangThüre des offenen Ganges
wurde goöffnot [aufgerissen], dann an’s Fenster gepocht, ich
schwieg. Schaffer erwachte, rief: was giebt’s - Bitte, sagte der
Lehrbube, wir haben das Vorgeschriebene aufgearbeitet, was
sollen wir weiter machen? Die Entscheidung erfolgte. So
wurde es über 1 Uhr nach Mitternacht, ich weckte Schaffer, um
ihm zu sagen, ich vermöge mich nicht mehr wach zu erhalten;
er erwiederte, wenn Jovo bis jetzt nicht gekommen sei, haben
wir weiter nichts zu befürchten; ich überließ mich also gerne
ebenfalls dem beruhigenden Schlummer.
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