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Volltext: Ludwig Lobmeyr - schöner als Bergkristall

Freund verloren, der mir ein nicht zu ersetzender Hausarzt 
war und mit dem ich mich selbst über die heikelsten Vorkomm 
nisse vertrauensvoll berathen konnte. [So]leb legte [ich denn 
auch] dankbar Jahr um Jahr einen Kranz auf sein zu frühes 
Grab! - In Einem, es dürfte aber nicht das Einzige gewesen 
sein, konnte ich Fioder nicht beipflichten, nämlich als er sagte, 
ich sei wohl Verstandes-, aber nicht Gemüthsmensch, da ich 
aber wußte, daß ein Einwurf ihn nur zu selbst gewagten Er 
klärungen seines Ausspruches veranlassen würde, ließ ich es 
um so lieber dabei bewenden, als ich dachte, man komme mit 
ruhig erwägendem Verstände meist besser durch die Welt, als 
mit [seinem]dem allerdings vollem Gegensatz der Gemütsdu 
selei, wie ich sie z. B. wiederholt im Gebirge beobachten 
konnte. Gar zartfühlende Damen bemitleideten da die Träger, 
welche Fremde den Berg hinaufzubringen hatten. Ich erlaubte 
mir dann, einzuwenden, daß diese doch kräftigen Leute sich 
nur in reiner, guter Luft abmühen, allerdings manchmal äch 
zen und übermüdet thun, aber vielleicht doch nur, um eine et 
was höhere Entlohnung zu erlangen, daß sie aber gewiß vor 
Allem wünschen, den nächsten Tag wieder in gleicher Weise 
in Anspruch genommen zu werden. Wenn wir dagegen der Ar 
beiter in den Blei- und Schwefelminen, der in den Arsenikgru 
ben oder in den Kohlenbergwerken gedenken, welch’ letztere 
in nachtfinsteren Schächten ob der oft tödtlichen Gase in ste 
ter Lebensgefahr schweben und sie [lange] nicht so gut be 
zahlt sind wie jene Träger, so scheint mir wohl hier das Mitleid 
mehr berechtigt zu sein. 
Leichter mag es allerdings sein, sich vorzustellen, was Ver 
stand, als was Gemüt ist. Takt, welcher im Leben weit mehr 
bedeutet, als jene, denen er gebricht, zugeben wollen, kann 
dem Verstände zugezählt werden, Zartsinn und Feingefühl 
aber doch kaum mehr. Für Gemüt läßt sich so wenig ein be 
stimmte Umgrenzung aufstellen, wie wohl für alle Begriffe, für 
welche unsere Sprache immer nur allgemein bezeichnende 
Worte hat. Wenn Gemüt und Verstand richtig gepaart sind, ja 
letzterer überwiegt, dürften wohl die daraus sich ergebenden 
Entscheidungen kaum sehr zu tadeln sein. Ich sehe Manche, 
die sich höchst gemütvoll geben, das Unglück Anderer tief er 
griffen beklagen, [sich aber] darum doch nicht sieb herbeilas 
sen, auch nur den Finger zu rühren, um es zu mildern, [ob 
gleich sie] sich aber trotzdem für besondere Gemütsmen 
schen halten. Daß mich bei ergreifenden Szenen im Theater 
oder selbst nur beim Lesen eine Beklommenheit befällt, mir 
Thränen in die Augen treten, so daß ich mich aufraffen muß, 
damit sie mir nicht über die Wangen rollen, mag ja von einer 
einseitigen Empfindsamkeit herrühren; daß ich Einiges für 
Wohlthätigkeitszwecke leiste, geschieht gewiß auch mit Rück 
sicht auf meine Stellung in der Gesellschaft; daß aber nicht 
auch Mitgefühl dabei mitspielt, also auch dem Gemüte eine 
Rolle zufällt - nun, das mag dahingestellt bleiben! Ein Beweis 
für oder wider läßt sich auch da nicht erbringen, [derartige] An 
schauungen sind nur selten zu widerlegen. - Es ist ja auch ge 
sagt worden, die selbstaufopfernde Mutterliebe sei nur Egois 
mus, denn das Leben des Kindes sei die Existenzbedingung 
mancher Mutter; um diese Bedingung zu erhalten, setze sie 
ihr eigenes Leben ein. Wenn man die edelste, ja idealste Ge- 
fühlsbethätigung, die man kaum genug bewundern und vereh 
ren kann, mit einem Worte bezeichnet, das im Allgemeinen 
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616 Prunkvase; zeitgenössische Photographie, vgl. Abb. 617, S. 265 
616 Monumental vase; Contemporary photograph, iü. 617, p. 265 
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