lungen waren, übersättigt wurde. Die Fähigkeit, Neues zu
schaffen, war erloschen, das Alte zog nicht mehr. Und heute!
Bis jetzt sehe und bewundere ich, wie treu man die alten Ge
fäße nachzuahmen vermag, aber ich sehe kein Neugestalten
und kommt dies nicht, muß wieder Uebersättigung und def
Verfall folgen.
Noch will ich hier bemerken, daß das Venetianerglas eigent
lich so sebf [ganz]anders ist, als böhmisches, englisches oder
sonst welches, se daß wir nicht die Muraneser Artikel, ande
rerseits mrt-dem/id/e/Venetianer, die sich nie mit Schleifen und
Gravieren, höchstens etwas mit Emailmalerei und Vergoldung
abgaben, nicht unsere Waaren erzeugen können. Das weiße
und das farbige dortige Glas ist trübe, aber insoferne leicht zu
[be] arbeiten, als es noch teigig bleibt, selbst wenn es nicht
mehr glüht, sondern schon graufarbig wurde, während na
mentlich das böhmische Glas schon starr wird, wenn es aus
der Weiß- in die Rothgluth übergeht. Der böhmische Arbeiter
kann nie flink genug hantiren und muß das Gefäß, welches er
ausführt, wiederholt m[m] des Ofen haiton [erhitzen], um noch
etwas daran zu biegen u. s. w. Der venetianische hat keine
solche Eile, darum auch kann er die fein ausgesponnenen Flü
gel u. dgl. m. machen, seine wie gesagt teigige Masse er
schwert ihm dies nicht. Aber zu hübschen Trinkgeschirren
taugt das unreine weiße dortige Glas nicht und Krystallglas
können sie mit ihren Materialien nicht schmelzen. Ich möchte
sagen: das venetianische Glas verhält sich zu unserem, wie
Silber [um nicht zu sagen, wie Blei] zu Stahl - dieser eignet
sich auch nicht für Filigran.
Die belgischen Fabriken stehen mit ihren ausgezeichneten
Massenartikeln, wie Spiegel, Fensterscheiben, einfachen und
mittelfeinen Trink- und anderem Geschirr, auch sonstigen
Nutzartikeln in erster Reihe und machen es auf dem Welt
märkte den Franzosen, Engländern, Deutschen und uns
schwer genug, den Wettstreit mit ihnen zu bestehen; wenn es
sich aber um feinere, edlere Waaren handelt, so müssen sie,
ohne deshalb boochoiden zu thun- Srnges [vorläufig noch]
zurücktreten.
Ueber das, was die anderen Staaten, Amerika inbegriffen,
brachten, kann ich füglich hier hinweggehen; mich befremdet
es nur, wenn welche sich Mühe und Kosten machen, um doch
nur zu zeigen, wie weit sie gegen Andere zurückstehen. Es
wurde schon oft genug empfohlen, nur wirklich Gutes auf eine
derlei Ausstellung zu senden, aber dies einzusehen und
darnach zu handeln wird wohl noch geraume Zeit brauchen.
Eigentlich gehört das Folgende nicht hierher, da es mit der Pa
riser Ausstellung kaum in Beziehung zu bringen ist, da ich aber
bereits so viel über die Glasfabrikation sagte, will ich doch
noch ergänzend anfügen, daß die Glasindustrie jene großar
tige Entwicklung, welche sie in der zweiten Hälfte unseres
Jahrhunderts nahm, nur dem Genie des deutschen Friedrich
Siemens in Dilen (Sachsen) verdankt, welcher die sogenann
ten Regenerativ-Gas-Glasöfen erfand, die nach und nach die
früheren Systeme völlig verdrängen. Bei uns heizte man
früher nur mit dem besten Buchenholze, das vorher reichlich
gedörrt werden mußte, damit es nicht Funken sprühe, die,
wenn sie in den offenen Glashafen fielen, die Masse verdar
ben. In England verwendete man zur Heitzung Steinkohle,
mußte aber die Hafen mit einer dicht schließenden Kappe ver
sehen, die einen nach außen mündenden breiten Schlauch
hatte, durch welchen der Glasbläser die Masse herausholen
konnte. Siemens baute Oefen mit einer Nebenkammer, in der
das Brennmaterial vergast und das heiße [flammende]Gas in
den Glasofen eingeleitet wurde, welches eine noch höhere
Hitze erzeugte als die frühere unmittelbare Heitzung. Nun
konnte man das [billigste] Baumaterial verwenden. Er kon-
struirte sogenannte Wannenöfen, [wo] der Innentheil des
Ofens bildete eine dreitheilige Wanne [bildet], in welche auf
der einen Seite die Mineralien in Brocken em[hinein]geworfen
ww/ejrden, s+e bega///nnen da zu schmelzen, [worauf dann]
die Masse stie§ in die mittlere, dann [endlich] in die vorderste
Abtheilung [steigt], aus der sie verarbeitet wurde [wird]. Dieser
Prozeß wurde [wird] Tag und Nacht ununterbrochen fortge
setzt, die Glasbläser wechselten in drei Schichten ab. Die
Glasmasse wurde [wird] derart so billig hergestellt, daß z. B.
die Mineralwasser-Flaschen die Thonkrüge völlig verdräng
ten. Es brachte diese Erfindung eine so weitgehende Entwick
lung, daß ich es mir versagen muß, näher darauf einzugehen
und nur bemerke, daß sie wohl die epochemachendste auf
diesem Gebiete genannt werden maß [kann].
Mich über meine eigene Ausstellung auszusprechen be
trachte ich nicht als meine Aufgabe, ich kann nur sagen, daß
ich mit der Anerkennung, welche sie auch in französischen
Blättern ohne irgend welches Zuthun von meiner Seite fand,
und mit dem geschäftlichen Erfolge hoch zufrieden war.
Aufenthalt in Frankreich - Begegnung mit Viol!et-le-Duc -
Einladung in die Spiegelfabrik von St. Gobain
In Trouville verblieb ich bis 9. August. Die Ruhe, welche da
herrschte, war mir ganz angenehm, doch überblickte ich sehr
gerne [auf]die drei Monate, welche ich in Paris verbracht hatte
[zurück], Wohl gab es [dortjviel Arbeit, so daß ich nur ein paar
mal das Theater besuchen konnte, dafür sah ich infolge mei
ner Stellung Manches, wozu ich sonst kaum gekommen wäre.
Ich verwerthete aber auch [sonst] die möglichen Arbeitspau
sen, machte einen Ausflug nach [Pierrefond] mH, wo wir, vom
Wiede rauf ferner [hersteller] Vi o I et le Duc selbst bestens emp
fangen und geleitet, auch mit Cider bewirthet wurden, der ihm
sichtlich mundete, während ich ihn abscheulich fand; er
schrieb auf einen Plan der Festung seinen Namen und über
reichte mir das Blatt zur Erinnerung. - Ein merkwürdig Ding,
diese Festung aus der Bogenschützenzeit! Ein so ausgedehn
tes Bauwerk aus solidestem Gestein wieder aufzurichten, nur
damit man genau sieht, wie derlei einmal war, denn irgend ei
nen anderen Zweck hat es nicht, halte ich für eine Verschwen
dung sondergleichen. Doch verlohnte es gewiß, es gesehen
und den berühmtesten französischen Gothiker dabei persön
lich kennen gelernt zu haben. An einem anderen Sonntage
fuhr ich wieder mit dem Pariser Glasmaler Oudinot, den ich im
Jahre 1873 in Wien kennen gelernt, und dor mich besonders
führte, nach dem Rothschild'schen Schlosse La Fernere, wo
man [sonst] nicht leicht Einlaß findet. Es war herrliches Wetter,
die Fahrt durch den großartigen Park erquickend, das im
schönsten Stile gebaute Schloß, die kostbaren Sammlungen
von Alterthümern und sonstigen [anderen]werthvollen Seiten-
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