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nehmen Zurückhalt... seiner Natur durchaus widersprach. -
Ist in seiner Art etwas, was ganz an jenes Oel erinnert, mit dem
man aufgeregte Wogen glättet, so war davon in den Memoiren
fast zu viel zu finden, so daß man beim Vorschreiten derselben
immer entschiedener zu fragen begann: ja, hier haben wir den
trefflichen Sohn und Bruder, den vorsichtigen Kaufmann und
liebenswürdigen Gesellschafter, aber wo bleibt denn der
Künstler, welcher ihn doch allein erst zum weltberühmten, weil
seibstschöpferischen Industriellen macht? Nach mancherlei
Rathen und Versuchen blieb unserem Freunde, der den Man
gel selber fühlte, nichts übrig, als mich, der sein Wirken so oft
journalistisch begleitet, alle Hauptphasen seiner künstleri
schen Entwicklung mitangesehen hatte, zu bitten, selber eine
Ergänzung des Gebotenen zu versuchen. Natürlich weiß ich
nicht, ob es mir besser gerathen ist, manches in der Biogra
phie meines Erachtens nach Fehlende zu ergänzen, denn lei
der muß ich das in einem Alter versuchen, wo man in der Re
gel überhaupt nicht mehr im Besitze gesunder Gestaltungs
kraft ist. Immerhin hoffe ich, wenigstens einzelne Züge zur
[Vervollständig] Ergänzung des Bildes unseres Freundes bei
gebracht zu haben; für den Eindruck der ganzen Persönlich
keit hat er ja doch selber am besten gesorgt in seinem
Buche.-
227 F. Schmutzer, Porträt Ludwig Lobmeyr (1829-1917) zu dessen 80. Ge
burtstag (1909), Radierung
227 F. Schmutzer, portrait of Ludwig Lobmeyr (1829-1917) at his 80th birth-
day (1909), etching
Zu Ludwig Lobmeyr's Selbstbiographie. Von Fr. Recht.
Das heutige, bekanntlich kaum ein halbes Jahrhundert alte
deutsche Kunstgewerbe ist wesentlich von Wien aus in’s
übrige Deutschland gekommen. Es verdankte seine glän
zende Ausbildung dort zunächst einigen wenigen Männern,
unter denen Lobmeyr unbestritten auch heute noch einen der
ersten Plätze einnimmt. Vor allem aber darum, weil es kaum ir
gend einem anderen dieser berühmten Wiener Kunstindustri
ellen in gleichem Maße gelang, die eigene Persönlichkeit in
seinen Erzeugnissen so bestimmt auszuprägen, als ihm. -
Nachdem der mir seit dreißig Jahren innig befreundete Mann
vielfältigen Aufforderungen folgend endlich daran ging, seine
Lebenserinnerungen niederzuschreiben, begleitete ich be
greiflich diese Arbeit mit lebhaftem Interesse. Bald fand ich
aber, daß gerade diese Selbstbiographie, so bestimmt sie
auch manche seiner Charakterzüge für den, welcher ihn
schon vorher kannte, wiederspiegelte, doch für den Leser, bei
welchem dies nicht der Fall war, kaum ein genügendes Bild
seiner doch so scharf ausgesprochenen Eigenart gab. Vorab,
weil Lobmeyr wohl den Kaufmann mit dem Künstler in ganz
merkwürdiger Weise vereinigt, aber offenbar zum Schriftstel
ler, der die eigene Subjektivität überall deutlich ausspricht,
weit weniger geboren war. Schon weil das einem Hauptzuge
seines Wesens, der ruhigen Bescheidenheit und innerlich vor-
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228 Ludwig Lobmeyr (1829-1917), zeitgenössisches Porträt (Lithographie)
228 Ludwig Lobmeyr (1829-1917), Contemporary portrait (lithograph)
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