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Volltext: Ludwig Lobmeyr - schöner als Bergkristall

jemals die Furcht ganz los werden zu können, daß sie ihre 
große geistige Ueberlegenheit auch einmal unversehens in 
[weniger] tmangenehmer Weise fühlbar machen könnten? 
Genau das Gegentheil dieser Empfindung nun hat man bei 
Lobmeyr zugleich mit der Gewißheit, einem durchaus bedeu 
tenden Menschen gegenüber zu stehen. Denn daß hier unge 
wöhnliche Thatkraft und Intelligenz unter dieser wohlthuenden 
Ruhe sich verbergen, [so wie] daß diese aber die Frucht 
schwerer Leiden und Kämpfe, aber auch ungewöhnlicher Er 
folge sei, das fühlt man alsbald heraus, wie die schöne, serr- 
m§e Flarmonie dieser Natur, deren Wesen dabei doch einen 
Zug von stiiler Resignation trägt. 
Das Wunderbare nun aber ist, daß man all das auch den Lob- 
meyr’schen Produkten gegenüber sofort empfindet, ja daß ge 
rade darin das Geheimnis ihrer eigenthümlich fesselnden Wir 
kung liegt! Denn ohne diesen geheimnisvoll [eigenartig] an 
ziehenden Reiz einer aus dem Kunstwerk zu uns sprechen 
den Persönlichkeit ist ja die Wirkung so vieler Kunstschöpfun 
gen gar nicht zu erklären, «ab Daß er [Lobmeyr] diese Wir 
kung auch auf seine Industrieprodukte in so auffallendem 
Grade zu übertragen verstund, [das] ist eine hochinteressante 
Thatsache, deren Wirkungen man nicht nur selber empfindet, 
sondern die ich hundertfältig auch an Anderen zu beobachten 
in der Lage war. - Da ein großer [nicht unwesentlicher] Theil 
dieser so fesselnden Arbeiten gar nicht von ihm, sondern von 
sehr verschiedenen Künstlern komponirt ist, die Ausführung in 
Glas oder Bronze ohnehin nicht ihm gehört, so kann man 
diese so auffallende Gemeinsamkeit der Züge eben nur durch 
die große Sorgfalt und Beharrlichkeit erklären, mit der er die 
Ausführung von allem Anfang an begleitet und leitet. Dennoch 
kann nur ein bedeutender Mensch so bestimmt den Stempel 
seiner Empfindungsweise auf alles prägen, was von ihm aus 
geht. ln dieser Beziehung war mir nichts so belehrend, als die 
große Entfaltung Lobmeyr’scher Produkte, welche in der 
berühmten Wiener Weltausstellung von 1873 einen ganzen 
Saal füllten, der [damals] unzweifelhaft zu den größten Zier 
den der österreichischen Kunstindustrie zählte. Da, vor diesen 
so kostbaren und verschwenderisch ausgestatteten Prunk- 
geräthen, die doch eigentlich mit der auffallenden Schlichtheit 
seines [eigenen] Wesens hätten im Widerspruch stehen müs 
sen, prägte [sprach] sich dennoch sein Charakter so scharf 
aus, daß eine einfache, aber feinfühlige Frau unserer Be 
kanntschaft, als sie den Saal zum erstenmal sah, sofort in die 
Worte ausbrach: oh, das ist ja der ganze Lobmeyr! Dies war 
also der gare [erste] bestimmte Totaieindruck, den man von 
diesem strahlenden Anblick empfing, [wohl weil] die feine Har 
monie aller Theile mit dem Ganzen so groß war, daß man den 
Reichthum desselben gar nicht eher merkte, als bis man run 
dum blickte und dann erst wahrnahm, daß alles Andere bunt, 
unruhig und gemein aussah, neben dieser vornehmen Ruhe. 
So war der ganze obere Theil des Saales durch fünfzehn bis 
zwanzig große, prachtvolle [und weit mehr kleinere Kron 
leuchter] Lüster ausgefüllt, von denen jeder einzelne, in Bril 
lantschliff ausgeführt, so blitzte, daß er vollkommen aus 
reichte, einen ganzen Saal durch sein Gefunkel allein zu bele 
ben und alle Blicke auf sich zu ziehen. Hier aber bildeten alle 
miteinander eine einzige große, in mildem Glanz strahlende 
Masse, deren [entzückend] leuchtende Pracht einem eigent- 
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Ludwig Lobmeyr (1829-1917), zeitgenössisches Porträt (Lithographie) 
Ludwig Lobmeyr (1829-1917), Contemporary portrait (lithograph) 
lieh ganz selbstverständlich vorkam, die aber mit ihrer wunder 
baren Lichtfülle alle die unter ihr auf den Tischen massenhaft 
stehenden, in allen möglichen Stilformen ausgeführten, 
großen und kleinen Prunkgeräthe durchaus harmonisch, zier 
lich und fein erscheinen ließ, da-unter [weil neben] dieser ko 
lossalen Lichtfülle unzweifelhaft nichts mehr zu schreien ver 
mochte, wohl aber [unter ihr] außerordentlich fein und farbig 
aussah. Man mußte [wiegesagt] diese Räume in ihrer milden 
Harmonie erst mit denen der übrigen dahinter stehenden 
Glasfabrlkat-Aussteliungen vergleichen, um sich der künstleri 
schen Ueberlegenheit Lobmeyr's erst [voll] bewußt zu wer 
den, da er die ganze Ausstellung selber angeordnet. - Und 
doch hatte er damals noch nicht die feinen Studien über spezi 
fisch koloristische Wirkungen gemacht, wie er uns später, so 
besonders bei der Münchener Ausstellung von 1888, damit 
überraschte. Ich erinnere mich, daß ich einst bei einem ge 
meinsamen Aufenthalt in Brüssel die wunderbaren Glasfen 
ster [aus dem sechzehnten Jahrhundert] an der Südostseite 
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