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Shawl-Fabrikation.
Eine der wichtigsten Arbeiten der Musterweberei überhaupt, insbesondere aber in
diesem Zweige der Textilindustrie ist:
Das Leviren oder Mustereinlesen.
Der Musterzeichner hat das Muster im verjüngten Massstabe auf Papier dargestellt.
Um es nun in das Gewebe zu übersetzen, bedarf der Jacquard-Stuhl, diese auch für die com-
plicirtesten, im Wege des Webens herstellbaren Muster geeigneteste Werkvorrichtung, eines
durch die sinnreiche Einrichtung des Stuhles bedingten Zwischengliedes, der sogen. Karte n.
Die Bedeutung dieser Karten, mittelbar des in Kede stehenden Arbeitsprozesses,
ergibt sich aus einer Skizze der Wirksamkeit des Jacquard-Stuhls.
Jedes Gewebe beruht in seinem Kerne auf der Durchkreuzung zweier Fäden, des
Ketten- und des Schussfadens. Von den durch die Appretur herstellbaren Mustern abge
sehen, bilden sich Muster durch das sich in einer gewissen Reihenfolge wiederholende
Ueber- und Unter einanderlaufen dieser beiden Fäden. Der Jacquard-Stuhl vereinfacht diese, die
grösste Aufmerksamkeit erheischende Arbeit des regelmässigen Hebens gewisser Ketten
fäden dadurch, dass er sie mit einer Nadel verbindet und diese, wenn der Stuhl in Thä-
tigkeit gesetzt ist, an eine am oberen Theile desselben sich überrollende steife, nach einem
gewissen Plane durchlöcherte Papierrolle stossen lässt. Geht das Papier über die Nadel
hinweg, so bleibt sie und mit ihr der bezügliche Kettenfaden in Ruhe. Gleitet dagegen über
die Nadel ein Loch, so geht sie durch, der mit ihr verbundene Kettenfaden wird gehoben
und der Schussfaden schiesst unter diesem dahin.
Um nun die Papierrolle oder Karte hiefür einzurichten oder in ihr die dem Muster
nach Zahl und Gruppirung entsprechenden Löcher durchzupressen, muss das vom Muster
zeichner geschaffene colorirte Muster, nachdem es patronirt oder im vergrösserteu Mass
stabe dargestellt worden ist, levirt oder gelesen, d. h. es müssen die Deckpuncte des Schuss
fadens in der Karte markirt werden.
Es bedarf kaum der besonderen Bemerkung, dass dieses Lesen der gespanntesten Auf
merksamkeit bedarf.
Ausser dem Leviren fallen dem weiblichen Geschlechts in diesem Industriezweige
noch zu:
Das Putzen oder Noppen und das Waschen der Waare.
Nachdem die Shawls oder Tücher mittelst Ausschneide-Maschinen von den auf der
Rückseite flott liegenden Schussfäden befreit sind, wird durch sorgsames Auskehren der
noch anhaftende Ausschneideflaum entfernt, sind etwaige Ungleichheiten und Knoten der
Schussfäden oder stückweise doppelt eingeschossene Fäden mittelst Nopp- oder Putzeisen
zu beseitigen, Fadenbrüche anzuzeigen u. s. w., kurz, ist die Waare rein zu machen.
Die durchgesehene und geputzte Waare wird stückweise in Wannen durch lauwarmes
Wasser, worin Seife oder andere Stoffe aufgelöst sind, durchgezogen, um eine gewisse
Geschmeidigkeit zu erzielen und die Farbe zu beleben. Centrifugal-Maschinen besorgen das
Entwässern, wornach die Waare behufs Trocknung in einen Apparat gebracht wird, der
aus einem kupfernen, um seine Achse drehbaren, innen mit Dampf geheizten Cylinder besteht,
welcher es durch die auf seiner Mantelfläche der Länge nach angebrachten Leisten er
möglicht, das Stück entsprechend zu spannen.
Die Trocknung erfolgt in wenigen Minuten. Alle übrigen Arbeitsprozesse sind den
in anderen Zweigen der Weberei angeführten gleich.
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