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Das Verfahren des nassen Färbens hat je nach Verschiedenheit der Farben
manche abweichende Formen. Bei der Anwendung von Anilinfarben, die häufig ge
braucht werden, besteht es darin, dass die aus weissem Stoffe ausgeschlagenen Päckchen,
mehrfach getheilt, in destillirtes Wasser getaucht, ausgepresst und päckchenweise der
Beihe nach auf den Band eines Tellers gelegt werden. Hierauf trägt man die flüssige Farbe
mittelst eines Pinsels auf, indem jene Stelle betupft wird, welche am dunkelsten erscheinen
soll; der fliessende Band der Farbe wird mit der Fingerspitze gerieben, was das allmälige
Verlaufen der Farbe vom Dunkeln ins Lichteste bezweckt. Sind alle Päckchen des Tellers
auf der einen Seite fertig gemacht, so werden sie mittelst der Zange umgekehrt, worauf
das Aufträgen und Verreiben der Farbe in gleicher Weise auf der anderen Seite wieder
holt wird. Nach halbstündigem Abliegen werden die gefärbten Päckchen zwischen Fliess
papier gebracht und gedrückt, um das bei dem späteren Sondern in Blätter mögliche
Ineinanderfliessen der Farbe zu verhindern. Das Zerlegen der Päckchen in die einzelnen
Blätter behufs des Trocknens geschieht entweder mit der Spitze einer Nadel oder mit der
Zange ; die Blätter werden hierbei auf ein reines Tuch, meistens ein Schafwolltuch,
gebracht.
Die Hauptarbeiten der Blumenfabrikation, deren Wesen aus der vorstehenden zu
sammenhängenden Schilderung hervorgeht, sind wie folgt, benannt:
1. Das Ausschlagen der Pflanzenblätter, Blumenblätter und Blumenkelche.
2. Das Schattiren der Blumenblätter, worunter das Färben und Bemalen derselben
verstanden wird.
3. Das Modelliren (Gaufriren) der Pflanzen- und Blumenblätter, um denselben,
nachdem sie durch das Ausschlagen den richtigen Umriss erhalten haben, die weiter
nöthigen Formen (Adern, Bippen, Wölbungen u. s. w.) zu geben. Es wird hierbei das
Pressen, Gaufriren, Stülpen (Biegen der Blattränder) und Kratzein (Fälteln)
unterschieden.
4. Das Wickeln, d. i. das Befestigen der Blumenbestandtheile an dem Stengel und
das Umwickeln desselben mit Papier oder Anderem.
5. Das Montiren, Formiren oder Ausbinden, unter welchen Bezeichnungen
die zur gänzlichen Ausfertigung der Bouquets und Guirlandes erforderlichen Arbeiten ver
standen werden.
Die genannten Arbeiten werden grösstentheils sitzend verrichtet; sie sind nur im
Falle der Hantirung mit schweren Werkzeugen, z. B. bei der Anwendung grösserer Hand
schlägel bei dem Ausschlagen, oder wenn längere Zeit stehend gearbeitet wird, anstrengend.
Der grösseren Kraftanstrengung wegen wird das Ausschlagen und Pressen meistens von
Männern besorgt.
Diesem Gewerbe widmen sich in Wien meistens dreizehn- bis vierzehnjährige Mädchen
aus Nieder-Oesterreich, Böhmen und Mähren, deren Eltern vorwiegend dem Stande der
Gewerbetreibenden auf dem Lande und der Bauern angehören. Unter solchen Verhältnissen
ist leider auch die Vorbildung der Lehrmädchen gewöhnlich eine sehr geringe; von einer
Kenntniss des Zeichnens oder Malens, was so sehr nothwendig wäre, ist selten eine Spur
vorhanden. Es ist die unentgeltliche Aufnahme in die Lehre mit gänzlicher Verpflegung
und vierjähriger Lehrzeit allgemein üblich, ohne Verpflegung beträgt die Lehrzeit drei Jahre.
Das Lehrmädchen muss, um als Arbeiterin den in Bezug auf die Art der Verwen
dung vielfach wechselnden Anforderungen entsprechen zu können, alle Arbeiten sich
aneignen, und nach dieser ihrer Gesam m tleist ungs-F ä higke it wird der