Der Salon enthält diesmal eine auffallend große Anzahl von sehr guten Männerporträten,
während die Damenwelt auf diesem Gebiete ziemlich schwach vertreten ist. Das Beste in
dieser Art ist das Bild des Admirals Germinet von Lucien Jonas, dann ein nach allen
Regeln englischer Eleganz gestrichener junger Mann: Mr. Ch. Drouilly, von jules Grün.
Die beiden Herren von Etcheverry sind etwas zu erdig in der Farbe, trotzdem aber recht
gelungene Porträte.
Die Künstler Benner, Davant, Dechenaud sind mit sehr guten Leistungen vertreten,
ebenso der Engländer Lander, dessen Porträt des General Chas Douglas alle Achtung
verdient.
Unter den hübschen Genrebildern ist die grün- und rotgestreifte Krinolinendame von
Suzanne Hurel als ein anmutiges Farbenstück zu bemerken, ebenso die witzige Phantasie
„La Coiffure interrompue" von Gabriel Domergue. Eine alte Dame in weißer Spitzen-
rnantille von Glatter ist malerisch effektvoll. Das „Orakel" von Raphael Kirchner ist in der
Ausführung etwas altmodisch, dürfte jedoch von vielen günstig beurteilt werden; es ist
ein sauberes Stück Arbeit, wenn auch weniger geistreich wie die lustigen Figürchen, denen
dieser Künstler seine besten Erfolge verdankt.
Die beiden Freilichtszenen von Andre Brouillet „Le Goüter" und „Retour des
Champs" wirken sympathisch und erfrischend. Ulisse Caputo, ein junger italienischer
Maler, entwickelt sehr viel Talent in seinem Bild „Sinfonie", welches stimmungsvoll
gruppierte Gestalten zeigt. Eine hübsche Frauenfigur in Grün im „Intermezzo" von Viktor
Krausz macht sich angenehm bemerkbar.
Die ehrwürdigen Berühmtheiten, wie zum Beispiel Leon Bonnat und Gabriel Ferrier,
darf man doch nicht ganz stillschweigend übergehen. Ersterer ist mit zwei Porträten
vertreten, welche wir diesen Winter bereits im „Epätant" gesehen haben. Letzterer
bereitete uns diesmal eine Überraschung: Man glaubt es kaum, daß das lebensgroße Reiter-
bild eines südamerikanischen Generals, welches Hott und schwungvoll behandelt ist, aus
demselben Atelier stammt wie das süßliche Porträt der Madame de Castro mit ihren vier
Kindern. Gabriel Ferrier ist in diesem Bild seiner alten porzellanähnlichen Manier treu
geblieben.
Georges Scott hat bei seinem Aufenthalt in den Balkanländern offenbar reichlichen
Stoff gesammelt, da wir hier wieder zwei neue Bilder, Episoden aus dem bulgarisch-türki-
schen Krieg, sehen: ein nächtlicher Transport von türkischen Leichen drückt die Schatten-
seiten eines Feldzuges in tragischer Weise aus.
Intime kleine Bilder sowie Miniaturen und Gravüren können ini Salon unmöglich zur
Geltung kommen. Die Künstler machen sich hierüber auch keine Illusionen; ich hörte von
einigen die philosophische Bemerkung, daß die Hauptsache, ihren Namen im Katalog zu
haben, ihnen als eine genügende Befriedigung erscheint.
Als Landschaftsmaler muß man schon etwas Besonderes leisten, zum mindesten in
räumlicher Bedeutung, um einige Aufmerksamkeit zu erzielen. Das Kontingent an Land-
schaften ist auch heuer verhältnismäßig weniger zahlreich als früher, insofern es sich um
Ölbilder handelt. Zeichnungen, Pastellbilder und Aquarelle sind in eine besondere Abteilung
verlegt.
Zu den bemerkenswerten Landschaften gehört das große sonnige Bild im Hauptsaal
„Rochers de YEstereI", eine Fischerbarke am Felsenufer von Zigliara; dann entzückende
lichtdurchüutete Blicke in die Provence von Mademoiselle Latitte. Schließlich die charakte-
ristisch stilisierten Bergseen aus dem Dauphine von Communal. Nozal ist seiner ewigen
Herbststimrnung untreu geworden und bringt durch eine Schneelandschaft etwas
Abwechslung in seine Kunst. Zu Träumen nach unbekannten märchenhahen Gegenden
wird man durch die Fabellandschaß, offenbar aus Indien, „Aux Pays des Reves', von
Tkatchenko angeregt.
Die Abteilung für Skulpturen ist die umfangreichste, sie umfaßt über xooo Nummern,
wobei die Medaillen nicht mitgezählt sind. Ich möchte diese Abteilung nicht flüchtig
erledigen und behalte mir vor, hierüber, gleichzeitig mit dem Kunstgewerbe und der
Achitektur, bei nächster Gelegenheit zu berichten. Th. de Kulmer
IEN. DIE GEISTLICHE SCHATZKAMMER IN DER K. K. HOF-
BURG. Von dem Kataloge der vor einigen Jahren neuaufgestellten Schatzkammer
ist eine neue, vollständig umgearbeitete Auflage erschienen. Die geistlichen und weltlichen
Schätze des Allerhöchsten Kaiserhauses sind bekanntlich seit Jahrhunderten voneinander
getrennt in der Hofburg aufgestellt? die geistliche Schatzkammer umfaßt heute im
allgemeinen nur Geräte und Kunstwerke von ausgesprochen kirchlicher Bestimmung, vor
allem Textilparamente, Monstranzen, Meßkelche, Reliquiare, wovon ein Teil an bestimmten
Festtagen auch noch zur Verwendung gelangt." Außerdem ist ein Teil des reichen
Tapisseriebesitzes des Allerhöchsten Hofes hier zum Schmucke der Räume verwendet; es
wäre hier besonders auf die niederländischen Arbeiten des XV. bis XVII. Jahrhunderts im
Vorraume und auf die köstlichen reich dekorativen Stücke aus der Werkstätte des Wilhelm
Segers aus dem Anfange des XVII. Jahrhunderts hinzuweisen.
Die Kirchengewänder reichen im allgemeinen zeitlich nicht sehr weit zurück, obgleich
auch einige mittelalterliche und Renaissancearbeiten („Kasel des heiligen Karl Borromäus")
vorhanden sind; das Schwergewicht ruht hier in den Arbeiten von der späteren Barock-
zeit an bis zum Empire, besonders in denen aus der Zeit der Kaiserin Maria Theresia. Für
die Kunstrichtung und die Technik dieser Zeit sind aber auch äußerst wichtige Beispiele
vorhanden.
Weit hervorragender sind jedoch die eigentlichen Kirchengeräte und Reliquiare, von
denen hier nur einige, der Reihenfolge der Aufstellung entsprechend, hervorgehoben seien:
ein Altarkelch vom Jahre M38 mit der Devise Kaiser Friedrichs III., ein Altarkelch des
XIV. Jahrhunderts mit Grubenschmelz, ein sehr schöner Wiener Rokokokelch von 1767,
zahlreiche prachtvolle Arbeiten in der Art der Augsburger Barockkunst (mit Verwendung
von Ebenholz, Silberbeschlägen, Schmelzen, herrlichen Edelsteinen und anderem), ein
kleines, aber äußerst kostbares Gebetbuch aus dem Besitze Karls VI., das aber schon eine
(Münchener?) Arbeit aus der Zeit um rGoo ist, zahlreiche Wiener Silberarbeiten aus der
Zeit Maria Theresias, das wundervolle Pazii-ikale von Joh. Bapt. Känischbauer vom Jahre
1726, eine der herrlichsten Barockarbeiten, die wir kennen, ferner eine goldene, mit einer
Kamee und gemugelten Steinen besetzte Theka, die bis in die Zeit um 1000 n. Chr.
zurückreicht. Doch ist es unmöglich, hieralle künstlerisch wichtigen Stücke aufzuzählen,
ebenso diejenigen, die durch die Heiligkeit der Reliquie hervorragen oder durch die histo-
rischen Zusammenhänge, welche uns etwa auf Karl den Großen, Ludwig den Großen,
Karl V., Maria Theresia, auf die Gründung des Sternkreuzordens und andere Ereignisse
hinweisen. Jedenfalls bietet auch diese Sammlung von Schätzen des Allerhöchsten Kaiser-
hauses das Bild einer gewaltigen, Jahrhunderte umspannenden Entwicklung und zahlreiche
Werke von hervorragender und eigenartiger Bedeutung.
APIERSCHNEIDE- UND -KLEBEARBEITEN VON PROFESSOR
FR. öläEKfuw Wenn ein erfolgreicher Lehrer und Künstler die Ergebnisse seiner
vieljährigen Wirksamkeit als Jugendbildner und die Resultate seiner künstlerischen Ein-
liußnahme auf dem Gebiete der Jugendkunst vorführt, so erweckt diese Unternehmung
ebensowohl Interesse wie Dankbarkeit.
Die vortrefflichen Resultate des Sonderkurses für Jugendkunst (an der k. k. Kunst-
gewerbeschule in Wien) sind durch wiederholte Ausstellungen in Wien, London, Dresden
' Worüber man verschiedene Nachrichten in der „Baugeschichte der k. k. Hofburg" (XIV. Band der
Österreichischen Kunsttopographie), S. 17x tT. und 28g, findet.
"W Der jetzige Aufstellungsort liegt in einem der ältesten Teile der von Albrecht I. von Habsburg
begründeten (vielleicht von Ottokar vorbereiteten) Burganlage.
"K" Verlag von Anton Schroll ä Co., Wien, G. m. b. H.