l\eubauten und (oneurrenzen
in Oesterreich und Ungarn.
Organ für das Hociibaiifacli und seine Interessenten.
Redigirt von Architekt OSKAR MARMOREK.
Verlag von
MORITZ PERLES IN WIEN
I., Seilergasse 4.
1895.
FEBRUAR.
Uuöeheint am /Anfang jedes jVlonates.
Alle Rechte Vorbehalten.
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Ganzjährig . 10 fl. = 20 Mark
Einzelne Exemplare ... 1 fl. — 2 Mark
I. JAHRGANG.
HEFT II.
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T-v-iTj * T'j’. Regulirung und Ausbau des Mathias-Kirchplatzes in Ofen. — Ueber die Prüfung der Baumaterialien auf ihre 1 ragfähigheit und
liNrlALl . Dauerhaftigkeit — BAU-UND KUNSTCHRONIK: Das Verschieben einer Häusergruppe in Chicago. Grablaterne. »Alt-Prag.« Aus
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halten von Anlegeleitern. — LITERATUR: Grundzüge des Hochbaues. Schriftvorlagen für das Kunstgewerbe. I Canum (Jumajuoli). Die bischer
v. Erlach. Die Architektur der Niederlande. Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Inneu-Decoration. Moderne Innen-Decoration Der Steinbau.
TAFEL-ERKLÄRUNGEN: Taf. 10: Umbau der Apotheke zum schwarzen Adler in Wallachisch-Meseritsch, Mähren, laf. 11 und Di: Palais,
Wien, III., Metternichgasse 8. Taf. 13 und 14: Preisgekrönter Entwurf für das Gebäude der Versicherungs-Gesellschaft »AssiCurazioni Generali«,
Prag, Wenzelsplatz. Taf. 15 und 16: Entwurf für die Regulirang und Verbauung des Platzes um die Mathias-Kirche in Ofen. Anzeigen.
Regulirung und Ausbau des Mathias-Kirchplatzes in Ofen.
(Hierzu Taf. 15 und 1-6.)
en schönsten und geschichtlich bedeutsamsten
Theil im Rahmen des Budapester Donau-
| panoramas bildet der langgestreckte Festungs-
' berg Ofens, einst die durch prachtentfaltende
und kunstpflegende Hofhaltung weithin berühmte Residenz
der ungarischen Könige, reich an glanzvoller Vergangen
heit, doch arm an Denkmälern, welche an dieselbe er
innern könnten. Als einziges von den Verwüstungen der
Türkenzeit einigermassen verschont gebliebenes Wahr
zeichen des mittelalterlichen Ofens erhebt sich auf der
sogenannten Fischerbastei, weithin sichtbar, die pracht
voll restaurirte Mathiaskirche, eine Perle gothischer
Architektur. Uns die nähere Besprechung des Bauwerkes
für eine andere Gelegenheit vorbehaltend, wollen wir nur
kurz die Geschichte desselben zusammenfassen, um uns
diesmal auf Grund der von Prof. Friedrich Schulek, dem
genialen Restaurateur der Kirche, verfassten Pläne mit der
actuellen Frage der Kirchplatzregulirung zu befassen.
Die Kirche wurde im XIII. Jahrhundert durch König
Béla IV. zum Danke für die Erlösung von den Mongolen
horden gebaut und der Mutter Gottes gewidmet. Die
Ausführung geschah als dreischiffige Basilica in romanisch-
gothischem Uebergangsstyle.
Im XIV. Jahrhundert, unter Ludwig dem Grossen,
wurden die niedrigen Seitenschiffe bis zur Höhe des Mittel
schiffes gehoben, und zeigen die neu hinzugefügten
Theile der nunmehrigen Hallenkirche entwickelte gothische
Formen.
Im XV. Jahrhundert fügte König Mathias Corvinus
dem Baue eine nordöstliche Capelle, eine südliche Vor
halle und an Stelle des demolirten alten Südthurmes einen
neuen Thurm hinzu; all diese Zubauten wurden, dem
Zeitgeiste entsprechend, in reichem spätgothischem Style
■ausgeführt.
In Folge der Erstreckung ihrer Bauzeit von der
romanisch-gothischen bis zur Flamboyant-Periode, wie auch
sonst durch aussergewöhnliche Mannigfaltigkeit ihrer
Details repräsentirt die Kirche eine gedrängte Geschichte
der ungarisch-gothischen Kirchenbaukunst.
Auf diesen Umstand hinweisend, geht nun der Vor
schlag des Prof. Schulek dahin, die Umbauten bei der
Kirche in den vorgothischen Formen der Zeit der
Arpadenkönige auszuführen und somit den mittelalterlichen
Ideenkreis vervollständigend bis zur Millenniumsfeier eine
auf die mittelalterliche Grösse und Macht Ungarns hin
weisende Denkmalgruppe zu schaffen.
Was zunächst die Freilegung der Kirche selbst be
trifft, sind die Vorschläge Schulek’s in Bezug auf die zu
demolirenden Bauten, wahrscheinlich in Kenntniss der
geringen diesbezüglichen Munificenz der entscheidenden
Kreise, sehr bescheidene. Es wäre zu wünschen, dass das
im Norden der Kirche befindliche Finanzministerium mit
Rücksicht auf die auch von Norden aus zu eröffnende
Fernsicht ebenfalls abgetragen werde.
Der Bebauungsplan der Kirchenumgebung zeigt drei
Haupttheile:
1. Eine grosse, eigentlich aus drei Treppen com-
binirte Freitreppe, welche von der Albrechtstrasse zum
Kirchplatze emporführen soll; dieselbe entspringt einem
zwingenden Bedürfnisse, insoferne jetzt auf einer Strecke
von einem halben Kilometer ausser der sogenannten
Jesuitenstiege (einer engen Kasemattentreppe der alten
Festung), kein einziger directer Verkehrsweg zwischen der
Wasserstadt und der Festung besteht; bei festlichen Ge
legenheiten (wie z. B. am St. Stephanstage) ist aber die
Jesuitenstiege zur Abwickelung des Verkehres ungenügend.
Vom vierten Ruheplatze der Freitreppe führt ein kurzer
Abzweigarm zum Parke, welcher sich über der Albrechts-
strasse entlang der Bastei erstreckt.
Der Unterbau der Treppe ist als Ziegelrohbau an
genommen. Für die Stufen ist Granit, für die Brustwehr
harter Stein vorgeschlagen.
2. Den zweiten Theil des Projectes bildet ein mit
Eckthürmen versehener Säulengang, als Bekrönung der
jetzt kahlen Festungsmauern. Prof. Schulek motivirt die
Anlage dieses kreuzgangähnlichen Ganges mit dem er
höhten Reize , welchen das Donaupanorama hierdurch
erfahren würde.
3. Den dritten Theil der Baugruppe bildet die
St. Stephans - Gedenkhalle in der Mitte der südlichen
Fischerbastei. — Es ist dieselbe als eine weithin sicht
bare in lapidarem altchristlich - romanischem Uebergang-
style gehaltene Kuppelhalle gedacht. Die Kuppel [Win
innere Lichte) ruht auf 12 Doppelsäulen, resp. Pfeilern.
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