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Neubauten und Concurrenzen in Oesterreich und Ungarn.
Nr. 2.
Figf. 4.
K
das Gebäude so weit angehoben, dass die Rollen entfernt
werden konnten. Die Rollen, Sattelhölzer und Bohlen
wurden entfernt, die
Winden um soviel zu
rückgedreht, wie vorher
in die Höhe geschraubt,
und das Bauwerk zu
derselben Höhe über
das neue Fundament
herabgesenkt, in der
es sich befand, bevor
es aus seiner Ruhe
gestört worden war.
Die Fundamentmauern
wurden nun zwischen
den Hölzern höher ge
mauert und sorgfältig verkeilt, dann die Sattelhölzer
herausgezogen, die Löcher vermauert und die Gebäude
waren alsbald wieder zur Benützung bereit. B.
Grablaterne (Architekten Brüder Mayreder). Wie in
anderen Städten schon längst, hat sich die Pietät für die
Ausschmückung der Grabmale bei uns erst in den letzten
Jahren entwickelt und schon eine ziemlich zahlreiche
Menge künstlerisch ernst gearbeiteter Denkmale zieren
unsere Friedhöfe. Von einem dieser Denkmale stammt
die hier reproducirte Lampe. — Der Eindruck, den
sie hervorbringt, ist ein feierlich - pompöser, der für ein
Grabmal entschieden passt. Die Ausführung von Herrn
Valerian Gillar, Hof-Schlossermeister in Wien, ist technisch
und künstlerisch vorzüglich und entspricht der einheit
lichen Formensprache, welche die Künstler beabsichtigen.
Die Profile und glatten Theile sind aus massivem Kupfer,
die ornamentalen Füllungen aus Bronze hergestellt. Die
Höhe der Lampe beträgt circa 65 cm.
»Alt-Prag.« Auf der böhmisch - slavischen ethno
graphischen Ausstellung (Nârodopisna vystava Cesko-
slovanskâ) in Prag 1895 wird nebst anderen baulichen Attrac-
tionen auch in der Art von »Alt-Wien« in der Theater- und
Musikausstellung in Wien 1892 ein »Alt-Prag« auf
gestellt. Als Motiv wurde der Kleine Ring mit dem hinter
demselben sich befindenden Leonhardiplatz und den in
diesen Platz einmündenden Gassen gewählt. Obzwar Prag
in seinem jetzigen Zustand an malerischen, in ihrem
Aeussern noch ziemlich conservirten Motiven reich ist,
beeinflusste die Wahl dieses Motives das Vorhandensein
mehrerer Stiche, besonders einer Ansicht der Krönungs
feierlichkeiten Maria Theresia’s, welche das Ansehen des
Platzes im XVII. Jahrhundert treu wiedergeben. Einige
der darzustellenden Bauten sind ganz erhalten, manche
trotz Umbauten noch soweit conservirt, dass ihre Restau-
rirung leicht möglich und das Ensemble kein Phantasie-,
sondern ein ziemlich treues Abbild des baulichen Zu
standes um 1600 sein dürfte. Der kleine Ring bildet ein
Dreieck, an dessen zwei Seiten sich Lauben hinziehen.
Die Häuser sind zwei- bis dreistöckig mit hohen malerisch
in den Platz hineinragenden Giebeln origineller Composition.
Im Ganzen werden 12 gothische und 15 Renaissance
bauten aufgeführt nebst der Kirche des hl. Leonhard,
welche den Abschluss des Ringes mit ihrem Friedhofe
bildet. Am Platze befindet sich ein kunstvoll und reich
gearbeiteter Brunnen von Schmiedeeisen, eine treue Copie
des bestehenden nebst einem anderen von Stein.
Alle diese Bauten werden in 4 / 6 natürlicher Grösse
durchgeführt, so dass die Höhe der Giebel 16, 17, ja
noch mehr Meter erreicht.
Die Construction besteht aus festem Balkengerüste,
wird verschalt, angeworfen, plastisch durchgeführt und
al fresco gemalt. Die Fagaden Prags zeichneten sich im
Zeitalter der Renaissance durch besonders reichen male
rischen oder Sgraffito-Schmuck aus, welcher durch
italienische Baumeister herübergetragen wurde. Ja, es waren
oft die ganzen Flächen und Gesimse mit ihren Profilen
mit ornamentalen und figuralen Darstellungen überzogen.
Bei einfacherer Ausstattung deutete man die Fugen eines
Quaderbaues decorativ an, so dass das Aeussere einen
reichen, äusserst decorativen Eindruck ausübte. Es dürfte
daher »Alt-Prag« nicht nur eine Attraction der Ausstel
lung , sondern eine interessante architektonische Restau
ration sein, die besonders durch ihre locale Eigenart für
Fachkreise interessant sein dürfte. Die Eröffnung von
Alt-Prag erfolgt zugleich mit der Ausstellung am
16. Mai 1. J. Arch. Stbl., Prag.
Aus Budapest. Trotz der grossen Anzahl von Neubauten, welche
im letzten Decennium in Budapest entstanden, nimmt die Bauthätigkeit,
wie wir dies aus der statistischen Zusammenstellung entnehmen, noch
stetig zu. Im Jahre 1893 wurden 738 Neubauten ausgeführt, gegen 492
im Jahre 1892. Es sind darunter 474 Wohnhäuser gegen 318 im Vor
jahre. — Das Lustspieltheater soll, trotzdem die Subventionsvorlage der
Regierung im Parlament abgelehnt wurde, doch erbaut werden. Die
interessirte Actiengesellschaft erwarb ein grosses Grundstück am Leopold
ringe ; mit der Ausführung des Baues wurden die Wiener Architekten
Fellner und Hellmer betraut.
Standesfragen. Man muss es dem österreichischen Herrenhause
als Vorzug zuerkennen, dass es nicht blos aus Männern zusammengesetzt
ist, die nichts Anderes geleistet haben, als die Enkel ihrer Ahnen zu sein,
sondern dass in dasselbe auch Solche berufen werden, die durch eigene
Arbeit in Wissenschaft und Kunst sich selbst und dem Vaterlande Ruhm
und Ehre errungen haben. Anastasius Grün .und' Grillparzer, Engerth und
Billroth waren Zierden der österreichischen Pairskammer. Wieder ist ein
Pairschub erfolgt und die gute österreichische Sitte wieder befolgt worden.
Unter den neuen Mitgliedern des Herrenhauses befinden sich mehrere
Industrielle, einige Juristen und sogar zwei Aerzte. Aber vergebens suchen
wir in der Liste einen Techniker. Denn man kann doch den Grafen
Stadnicki, der angeblich einst das Polytechnicum in Zürich besucht hat,
nicht als solchen betrachten; jedenfalls ist er nicht ob seiner technischen
Leistungen und Verdienste in das hohe Haus gelangt. Auch der Baurath
Hlavka, der einzige praktische Techniker, der im Herrenhause sitzt, ist
nicht kraft dieser Eigenschaft, sondern als Präsident der böhmischen
Akademie der Wissenschaften Pair geworden, und so müssen wir mit
Bedauern wahrnehmen, dass seit Engerth ausser den Genannten kein
Vertreter der österreichischen Technikerschaft im Herrenhause ist, ein
neuerlicher Beweis für die Zurücksetzung unseres Standes in Oesterreich.