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Neubauten und Concurrenzen in Oesterreich und Ungarn.
Nr. 3.
Bauordnung. Gerade jetzt, wo die neue Bauordnung
für Gross-Wien in Berathung steht, ist die folgende Nach
richt , die uns aus Berlin zukommt, von besonderem In
teresse: »Dem Abgeordnetenhause ist eine Petition aus der
Gemeinde Pankow zugegangen, welche die Aufhebung des
§ 5 der Baupolizeiordnung für die Vororte von Berlin
vom 5. December 1892 und die Abänderung mehrerer
Bestimmungen derselben bezweckt. Die Petition führt aus,
dass durch den § 5 über 26.000 Hektar der Umgebung
Berlins für die »landhausmässige Bebauung« festgelegt
seien, was für diesen ungeheuren Bezirk geradezu einer
Bausperre gleichgeachtet werden müsse. Die betroffenen
Grundbesitzer, seien in schwerster Weise an ihrem Ver
mögen geschädigt. Eine Nothwendigkeit zu so weitgehen
den Baubeschränkungen liege nach Ansicht zuständiger
Sachkundiger nicht vor. Hätte die Gemeinde Pankow
voraussehen können, dass ihr Beschränkungen solcher Art
auferlegt werden würden, so hätte sie sich zu den schweren
Opfern für die damals in der Ausführung begriffene
Canalisation und Wasserleitung nie entschlossen, da diese
Anlagen sich unter den jetzigen Verhältnissen nicht
rentiren könnten. Durch die Villenbaubeschränkung sei
für Pankow ein vollständiges Lahmlegen jeder Bauthätig-
keit herbeigeführt worden. — Da diese schon bei Erlass
der neuen Bauordnung von allen Sachverständigen vor
ausgesehenen Folgen nicht blos in Pankow, sondern in
allen davon betroffenen Gemeinden mehr und mehr in die
Erscheinung treten, so wird die Gemeinde Pankow mit
der Petition voraussichtlich nicht allein bleiben.«
Man hat die Bestimmung neuerer Bauordnungen,
dass bestimmte grosse Bezirke der Stadt nur villenartig
verbaut werden dürfen, als einen grossen Fortschritt,
besonders vom hygienischen Standpunkte aus betrachtet.
Es zeigt sich an obigem Beispiele, dass hier leicht
des Guten zu viel gethan werden kann, und dass die
äusserste Vorsicht bei Beschränkung der baulichen Aus
nützung des Grundes durch seine Eigenthümer gelegentlich
der Erlassung neuer Bauordnungen am Platze ist. Dies
hat auch unlängst Baurath w. Neumann im österreichischen
Ingenieur- und Architektenverein von mehreren Gesichts
punkten aus treffend nachgewiesen. Speciell die Wiener
Bauordnung, nach den Entwürfen auch die künftige, macht
das Bauen so kostspielig, dass durch Massregeln, welche
die Ausnützung der Bauparzellen in ganzen Bezirken zu
sehr beschränken, genau das Gegentheil von dem Beab
sichtigten erreicht wird, es wird nämlich der Bau von
Familienhäusern erschwert statt gefördert.
Eine merkwürdige Heiz- und Kühlanlage. Es unterliegt keinem
Zweifel, dass unser Wohnhausbau in hygienischer Beziehung Manches zu
wünschen übrig lässt, dass die Forderungen der Gesundheitstechnik den
Ansprüchen an ein schönes Aeussere und dem Verlangen nach billigster
Ausführung zumeist weichen, müssen. Insbesondere ist es die Wärme
regelung in den Zimmern, welche stiefmütterlich behandelt wird, obgleich
mannigfache Gedanken entwickelt worden sind, um das Ideal einer Heiz
anlage, die Erreichung einer Sommer und Winter gleich bleibenden
Temperatur, zu verwirklichen. Mit unseren gewöhnlichen Heizungen,
welche lediglich die Luft erwärmen, ist dies Ziel nicht erreichbar, weil
die Wände etc. eines Hauses als weit grössere Wärmespeicher stets im
Sinne der Aussentemperatur, also im Winter abkühlend , im Sommer
erhitzend wirken. Es wird daher erforderlich, die Mauern, Decken, Dielen
zur ausgleichenden Wirkung heranzuziehen, indem man sie bei Kälte
einen erwärmenden, bei Hitze eineii abkühlenden Einfluss äusüben lässt.
So sind bekanntlich Doppelwände aus Ziegeln entstanden, zwischen denen
nach Bedarf kalte oder warme Luft circuliren soll. Kürzlich wurde auch,
gemäss »La Nature«, in Yokohama ein Haus aus doppelten Glaswänden aus
geführt, in deren Zwischenraum man einen besonderen Stoff, wahrscheinlich
ein Chlorür, eingefügt hatte. Man verfolgte bei der Einrichtung den Zweck,
von den durchtretenden Lichtstrahlen die Wärmestrahlen absaugen zu lassen
und so die äussere Hitze abzuhalten. — Eine für die europäischen Ver
hältnisse, in denen Heizung und Kühlung abwechseln müssen, werthvoller
Construction hat nun Caron in Chamonix ausgeführt. Sein Haus besteht
aus einem Skelett von Röhren, welches sowohl die Aussen- und Innen
wände, als auch die Decken und Dielen markirt, die Verkleidungen dieses
Gerippes, also die eigentlichen Wände etc., sind in Holz durchgeführt.
Das Röhrennetz ist mit einer aus kaltem Gletscherwasser gespeisten
Druckleitung verbunden. Macht sich im Sommer eine Abkühlung erfor
derlich, so genügt das Oeffnen eines Hahnes, um das kalte Wasser durch
Decken und Mauern kreisen zu lassen; im Winter dagegen erfolgt erst,
nach Art unserer Wasserheizungen, eine Vorerhitzung des Wassers in
einem besonderen Apparate. Nach Erforderniss soll das Röhrensystem
zugleich zur Zuführung von Trinkwasser Verwendung finden. Caron hat
eine grosse, etwa 300 nt 1 betragende Heizfläche geschaffen, welche nur
einer mässigen Erwärmung bedarf; das in den Calorifer eintretende
Wasser misst 3'5°, erhitzt sich auf 62—70° und verlässt das Gebäude
mit 4°. Als weiterer Vortheil des Röhrenhauses wird der Umstand be
zeichnet, dass sich das Gebäude rasch errichten lässt; das am 7. Juli
begonnene Werk war bereits am 15. September bewohnbar. Die Elasti-
cität des Systems würde auch seine Verwendung in vulcanreichen Ge
genden empfehlen. Das ganze in Chamonix aufgeführte Gebäiide fasst
5000 m* und wiegt nur 120 t.
Aus Budapest. Nebst der ausserordentlich regen internen Bau-
thätigkeit zeigen die bis vor Kurzem noch ziemlich vernachlässigten
äusseren Stadttheile seit den letzten Jahren eine rapide Entwicklung; um
den Neubauten dieser Vororte den nöthigen Rahmen zu verschaffen,
müssen immer weitere Kreise der Stadtumgebung in den Regulirungsplan
aufgenommen werden. Als wichtiger, diesbezüglicher Schritt muss die
unlängst durch die Stadtbehörden beschlossene Anlage einer sowohl an
Längen- wie an Breiten - Dimension mächtigen Ringstrasse bezeichnet
werden; die Länge dieser sogenannten Hungaria-Ringstrasse wird nach
ihrem Ausbau von Donau bis Donau rund VQkm betragen. — Die Rester
israelitische Gemeinde beschloss den Bau einer neuen monumentalen
Synagoge; derselbe soll in der Leopoldstadt auf einem von der Stadt
geschenkten Grundstücke aufgeführt werden. Dieser Schenkungsact erhielt
jüngst durch den Minister des Innern seine endgiltige Bekräftigung. —
An der Friedhofstrasse soll eine Markthalle für Trödlerwaaren erbaut
werden. Vorgeschlagene Baukosten fl. 230.000. V.
CONCURRENZ-NACHRICHTEN.
Nachdem das Preisgericht für den Wettbewerb um den Bau einer
zweiten evangelischen Kirche in Mainz keinen der fünf eingeladenen
hervorragenden Kirchenbaumeister — Baurath Sch Wechten-^» erlin, Professor
0&<?«-Berlin, Prof. -/Wcv^/z/züTzw-Stuttgart, Baurath Kreyssig-iAainz und Bau
meister Schwartze-Da.rm.'üt&ü.i — mit einem ersten Preise bedachte, sondern
nur Prämien vergab, soll der Kirchenvorstand übereingekommen sein,
einen neuen Wettbewerb mit unbeschränkter Concurrenz auszuschreiben.
Weiter soll die Bausumme, zu welcher auch Kaiser Wilhelm 5000 Mark
beigetragen , eine Erhöhung um 100.000 Mark erfahren, und zwar von
700.000 auf 800.000 Mark. Die Ausschreibung dieses Wettbewerbes ist
jedoch zunächst noch nicht zum Beschluss erhoben.
Wettbewerb um Pläne für die künstlerische Durchbildung
der den Wasserthurm in Mannheim umschliessenden Strassenzüge.
Einen ungemein anziehenden Wettbewerb schreibt der Stadtrath von
Mannheim soeben aus. Es handelt sich um Gewinnung künstlerischer
Entwürfe für die Häuser, welche den um den Wasserthurm liegenden
freien Platz umschliessen werden. Dermin den Jahren 1887 bis 1889 nach
den preisgekrönten Plänen des Architekten Halmhuber errichtete, künst
lerisch vollendete Wasserthurm soll dadurch Mittelpunkt einer »einheit
lichen Bauanlage monumentalen Charakters« werden. Für die Festsetzung
der Strassenzüge, sowie die Eintheilung der Baugrundstücke liegt ein Plan
vor, doch ist es dem Ermessen der Bewerber anheimgestellt, etwaige
Abänderungsvorschläge dazu zu machen. In der Anlage sollen auch eine
Reihe von geeignetenfalls dasselbst zu errichtenden öffentlichen Gebäuden,
als ein Gewerbemuseum, ein städtisches Museum und eine Festhalle, Be
rücksichtigung finden. Einen besonderen Reiz erhält die Aufgabe noch
dadurch, dass den Bewerbern anheimgegeben wird, den ganzen Platz
mit Laubengängen oder Säulenhallen zu umgeben, eine Anordnung, die
ursprünglich in der Absicht der städtischen Behörden lag, aber später
freilich Bedenken begegnete. Es ist zu begrüssen, dass diese Bedenken
nicht soweit gegangen sind, die Anordnung der Hallen den Bewerbern
zu verbieten. Die unteren Stockwerke der den Platz umgebenden Häuser
sollen zu Läden, Wirthschaften u. s. w., die oberen Stockwerke zu besseren
Wohnungen ausgenutzt werden. Als höchste Höhe ist 22 m bis Ober
kante Hauptgesims zugelassen, doch können Aufbauten, wie Giebel,
Kuppel oder Thürme, diese Höhe überschreiten. Als Baustoffe sind bunter
Sandstein, Kalkstein, Granit und Basalt anzunehmen, die in Mannheim
in grosser Mannigfaltigkeit leicht zu beschaffen sind. In Bezug auf die
zeichnerischen Leistungen stellt der Wettbewerb ziemliche Anforderungen:
ausser einem Lageplan 1 : 1000 sollen Skizzen der Grundrisse der Erd-