MAK

Volltext: Neubauten und Concurrenzen in Österreich und Ungarn, 2. Jahrgang 1896

J\eubauten und (dneurrenzen 
in Oesterreich und Ungarn. 
Organ für das Hoclibaufach und seine Interessenten. 
Verlag von Abonnementspreise: 
MORITZ perles in wien Redigirt von Architekt OSKAR MARMOREK. Ganejährig ich. = 20Mark 
I. Seilergasse 4. Einzelne Exemplare ... 1 fl. = 2 Mark 
189G. Ers©h©int am /Anfang jedos jAlonatos. n - JAHRGANG. 
DECEMBER. HEFT XII. 
Alle Rechte Vorbehalten. 
INHALT: 
ARTIKEL: „Architekt“ oder „Baumeister“. 
Das Wiener Wohnhaus und seine künftige Entwicklung. 
Thurm der 
serbischen Kirche in Ofen. — Der Hausschwamm und andere Krankheiten der Bauhölzer. — WETTBEWERBS-NACH- 
RICHTEN: Ausgesclirieb en e Wettbewerb e: Neubau eines Rathhauses in Kladno. Bau eines Schulgebäudes in Hainspacb. Hotelgebäude 
in Szentes. Zubau des städtischen Museums im Pofitzer Parke in Prag. Bau eines Irrenhauses in Triest. Canalisation und Entwässerung der 
Stadt Pola. Curhaus für k. k. Staatsbeamte in Abbazia. Stadtbad in Tetschen a. d. Elbe. Bau des Ernst und Lina Arnold-Stiftes in Greiz. 
Bau eines Saales. Neubau einer Synagoge zu Chemnitz. Internationaler Wettbewerb zur Erlangung von Placatentwürfen, Bau eines neuen 
Rathhauses in Leipzig. Entwürfe zu einem Diemenschuppen. Concurrenzpläne zum Zwecke der Ordnung von Eisenbahnstationen in Christiania 
etc. Bau eines Gebäudes für die Bergschuie in Bochum. Bau einer Strassenbrücke über die Süder-Elbe bei Harburg. — TAFELERKLÄRUNGEN: 
Tafel 85. Schlafzimmer der Königin Maria Antoinette in Versailles. Tafel 86 und 87. Rathhaus in Kecskemét. Architekten Partos und Lechner 
in Budapest. Tafel 88. Villa des Herr Karl Déry in Budapest, VI. Ecke Lendvay- und Bulyovszkygasse. Entworfen und ausgeführt vom Bau 
meister Alexander Staerk in Budapest. Tafel 89. Millenniums-Ausstellung Budapest. Pavillon der Actiengesellschaft Dynamit Nobel. Architekt 
Oskar Marmorek. Tafel 90, 91, 92. Villa Kind, Aussig a. d. Elbe. Architekt Hartwig Fischei in Wien. — Ankündigungen. 
„Architekt“ oder „Baumeister“. 
nfolge Auftrages der Gewerbebehörde in Olmütz 
wurde die dortige Architektenfirma W. K. und 
W. W. verhalten, die gemeinsame Firmirung 
abzuändern,, da Herr W. nicht berechtigt sei, 
sich »Architekt« zu nennen, da er bloss Baumeister sei. 
Herr W. recurrirte gegen diese Verfügung der Gewerbe 
behörde sowohl im eigenen, als auch im Namen der Firma 
und erhob endlich infolge abweislichen Bescheides der 
Administrativbehörden die Beschwerde an den Verwal 
tungsgerichtshof. In der Beschwerde, über die der 
Verwaltungsgerichtshof zu entscheiden hatte, wird von 
Herrn IV. ausgeführt, dass er berechtigt sei, den Titel 
»Architekt« zu führen, nachdem er die Baumeisterprüfung 
abgelegt und an den technischen Hochschulen in Dresden 
und München studirt habe. Der Vertreter des Ministeriums 
des Innern, Graf Cs., trat für die Abweisung der Beschwerde 
ein, nachdem von einem Architekten ein gewisser Grad 
künstlerischer Befähigung erwartet werde, und da im vor 
liegenden Falle über die angeblichen Hochschulstudien des 
Beschwerdeführers kein Index vorliege, man daher nicht 
wisse, ob Herr W. als ordentlicher Hörer oder nur als 
Gast die Hochschule frequentirt habe. Der Verwaltungs 
gerichtshof unter dem Vorsitze des Präsidenten Dr. v. 
Lemayer erkannte, es werde in Stattgebung der Beschwerde 
die angefochtene Entscheidung als ungesetzlich aufgehoben. 
Die Gewerbebehörde, heisst es in den Entscheidungs 
gründen, sei nicht berechtigt, zu entscheiden, ob Jemand 
den Titel »Architekt« führen dürfe, da für sie bloss die 
Baumeisterei existire; anderseits sei im Gesetze der 
Begriff »Architekt« genau determinirt. Diejenigen Archi 
tekten, die auf Grund ihrer Studien diesen Titel führen, 
heissen »autorisirte Architekten«; die Führung der Bezeich 
nung Architekt schlechtweg könne dem Baumeister nicht 
verwehrt werden. (»N. Fr. Pr.«) 
Wenn auch das Ministerium des Innern richtig er 
kannt hat, dass ein Architekt denn doch vor Allem ein 
Künstler sein müsse, so hat der Verwaltungsgerichtshof 
doch leider mit Recht erkannt, dass diese einzig richtige 
Anschauung im österreichischen Gesetze nicht begründet sei. 
Durch diese Verhandlung wäre nun wieder einmal in 
einem concreten Falle erwiesen, dass es in Oesterreich 
Jedermann freisteht, sich den Titel »Architekt« beizulegen. 
Nur den Titel »autorisirter Architekt« kennt und schützt 
das Gesetz, einen Titel, den ja, wie bekannt, nur ganz 
Wenive führen und den gerade die bedeutendsten Archi- 
tekten in Oesterreich nie erworben haben. Wenn der 
ebenso häufige als nichtssagende Einwand gemacht wird, 
was liegt denn an dem Titel, so zeigt schon allein der in 
zahllosen Fällen getriebene Missbrauch mit demselben den 
Werth, der ihm innewohnt. Der Laie, und beinahe jeder 
Bauherr ist ja ein Laie im Baufache, hat ja zur Be- 
urtheilung der Tüchtigkeit dessen, dem er einen Bau über 
trägt, wenig andere Mittel als den Titel desselben. Die 
Empfehlung anderer Baubeflissenen kommt wenig in Be 
tracht, da ja jeder gefragte Fachmann sich selbst wohl 
meist nach bestem Wissen als geeignet empfehlen wird, 
und das Urtheil nach ausgeführten Bauten, wenn solche 
überhaupt in der Nachbarschaft bestehen, fällt doch dem 
Laien schwer, umsomehr, als er die Bedingungen nicht 
kennt und beurtheilen kann, unter welchen sie zu Stande 
gekommen sind. 
Es bleibt also in vielen Fällen dem Bauherrn 
nur der Titel als Kriterium der Tüchtigkeit übrig. Einen 
Arzt, einen Advocaten, einen Notar, einen Apotheker, 
eine Hebamme kann man sich nur nennen, wenn man 
dazu berechtigt und geeignet ist. Architekt und Ingenieur 
hingegen kann sich jeder Maurermeister nennen, denn es 
besteht kein Gesetz und keine Verordnung, welche die 
Führung dieses Titels nach irgend einer Richtung hin 
beschränken würde. Freilich, wenn sich Jemand mit Be 
nützung dieses Titels eines Betruges schuldig macht, so 
kann er von dem Strafgerichte ebenso verfolgt werden, 
wie wenn sich Jemand unter der Vorgabe, ein Gutsbe 
sitzer zu sein, Geld ausleiht und keine Güter hat. Bis zu 
dieser äussersten Grenze ist es aber Jedermann gestattet, 
diese scheinbar vielsagenden Titel zu missbrauchen. Diese 
traurigen Verhältnisse haben die Architekten und Inge 
nieure in Oesterreich schon lange zu Bemühungen ge 
zwungen, einen gesetzlichen Schutz dieser zwei Standes 
bezeichnungen zu erzielen. Besonders sind es die Ingenieur- 
und Architektentage gewesen, welche als die berufenen 
Vertreter der Architekten und Ingenieure Oesterreichs 
wiederholt an die massgebenden Factoren, an den Reichs 
rath und die Minister mit der Bitte und mit Vorschlägen 
zur gesetzlichen Regelung dieser wichtigen Angelegenheit 
herangetreten • sind. Wie sich die betheiligten Kreise diese 
Lösung denken, geht aus der Petition hervor, welche die 
ständige Delegation des III. Oesterreichischen Ingenieur- 
und Architektentages an das Ministerium gerichtet hatte. 
In derselben heisst es: 
12
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.