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Volltext: Textil- und Bekleidungs-Industrie, Wiener Weltausstellung Heft 5

410 Gruppe V. Textil- und Bekleidungs-Industrie. 
welchem der Krieg die grössten Vortheile in politischer wie in finan 
zieller Beziehung geschaffen hatte, in Deutschland. Siegreich über 
den mächtigsten Feind, geeint, als Kaiserreich in alter Macht entfaltet, 
Empfänger einer gewaltigen Kriegsschuld, war hier das Feld, wo sich 
Handel und Industrie in reichstem Maasse ausbreiten konnten. In der 
That ist die Entwickelung derselben in ungeahnter Weise geschehen. 
Aber die Veränderung war eine zu hastige und grosse, und so stehen 
wir heut, nach kaum zweijähriger Blüthe, mitten in einer grossen finan 
ziellen Krisis, die von Osten bis über den Ocean reicht und deren Ein 
fluss und Ende noch nicht im Entferntesten abzusehen ist. Das sprung 
weise Fortschreiten, und geschehe es auch unter den scheinbar gün 
stigsten Vorbedingungen, führt stets schädliche Einwirkungen mit sich. 
Wie im thierischen Organismus, so sind auch im gewerblichen Leben, 
das durch unzählige feine Oanäle nach allen Richtungen hin verbunden 
ist, übermässig aufgenommene Nahrungsstoffe von Uebel: nur das, was 
wirklich verarbeitet und assimilirt werden kann, ernährt; das Unver 
arbeitete schwächt dagegen und schädigt. Daher sind Zeiten, wie die, 
welche der uns vorliegende Abschnitt repräsentirt, die in mehrfacher 
Beziehung ein Heben und Sinken, ein rapides Fortschreiten und jähes 
Fallen darstellen, keine wirthschaftlich günstigen zu nennen. Aller 
dings bilden die erlangten Errungenschaften Keime für eine glückliche 
Zukunft, der wir, nach Ueberwindung der gegenwärtigen Krisis, an der 
Hand der mit schweren Opfern erkauften Erfahrungen sicher entgegen 
gehen werden. 
Speciell die Textilindustrie begegnete den wechselndsten Einflüssen. 
Kriege sind für diesen Gewerhszweig werthvolle Consum«iten. Der 
bedeutende Verbrauch von Montirungsgegenständön giebt sowohl wäh 
rend ihrer Dauer, wie nach ihnen der Tuchfabrikation reichliche Beschäf 
tigung. Ganz besonders war der französische Krieg mit seiner für 
unsere Verhältnisse unerhört langen Dauer von wesentlichem Einflüsse 
auf diese Branche. Die Bekleidungsstücke von ungefähr zwei Millionen 
Männern wurden vollständig aufgebraucht und mussten zum Theil 
mehrfach erneuert werden. Die Lager von Militairtuchen wurden ganz- ' 
lieh geräumt und mussten nach Beendigung des Krieges von Neuem 
gefüllt werden. Der Winterfeldzug eonsumirte eine ungeheuere Zahl 
wollener Decken, zu deren Lieferung Deutschland, Oesterreich, Belgien, 
England und andere Länder alle Kräfte anspannen mussten. Wenn 
auch nicht in gleichem Maasse wie die Wollenwaarenfabrikation, so 
wurde doch auch die Baumwollen- und Leinenindustrie in erhöhete 
Thätigkeit gesetzt, um nach dem Friedensschlüsse für die Zwecke des 
Friedens zu arbeiten. 
Auf den Gang der Gewerbe sind von besonderem Einflüsse die 
Bewegung der Preise der Rohstoffe und der Arbeitslöhne. Rapide, 
unvorhergesehene Veränderungen in ihnen stören die Industrie, indem
	        
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