1903
ARCHITEKTONISCHE MONATSHEFTE
Heft 3
Landhaus >Elm Court« in Lenox (Mass., U. S. A.).
(Aus »The American Architect«.)
— Zu Tafel 19. —
Architekten: Peabody & Stearns.
Einfache Land- und Stadthäuser.
(Schluss.)
jjies alles gilt mit wenig Ausnahmen für das Miethaus
ebensogut wie für das freistehende Einzelwohnhaus
und für die aneinandergebauten oder teilweise frei
stehenden kleinen Reihenhäuser, und alle diese Grundgedanken,
die wir hier andeuteten, werden den meisten längst bekannt
und selbstverständlich erscheinen. Warum werden sie aber
dann nicht allgemein angewendet und befolgt? Je nun! Das
schlechteste Haus mit möglichst vielen kleinen Zimmerchen
ist eben für den Wohnungsspekulanten bekanntlich das ein
träglichste.
So sehen wir denn auch heute noch, trotz aller bessern
Erkenntnis, die auch in breiteren Kreisen Fuss zu fassen be
ginnt, aus Gewinnsucht einerseits und aus Gedankenlosigkeit
und Unreife andrerseits an den Peripherieen der grösseren
Städte wie anderswo jene langen Reihen von Mietkasernen
entstehen, deren innere Einrichtung ebenso unzweckmässig
und unwohnlich ist, wie ihr Aeusseres nichtssagend und ab-
stossend. Und gleichwohl wird an ihnen trotz der schlechten
Bauart eben durch die unzweckmässige Anordnung und
falschen Schmuck noch eine ganz erstaunliche Ver
schwendung getrieben, die nicht geringen Anteil hat
an der ungerechtfertigten und unverhältnismässigen
Höhe des Mietpreises kleiner und schlechter Woh
nungen im Vergleich zu dem der grossen und
zweckmässigen Behausungen.
Wie viel könnte an Bau- und Unterhaltungs
kosten bei diesen Bauten gespart werden durch
Verzicht auf den äusseren Schein, auf den schnell
zerbröckelnden unechten Aufputz, wie durch solide,
einfache Thür- und Fensterkonstruktionen, gute
Fussböden und Dachkonstruktionen u. s. w. Wie
viel kosten z. B. die Treppenhäuser mit ihrer angeb
lich vornehmen Ausstattung!
Auch das vielstöckige Miethaus und das Zu
sammenwohnen vieler Menschen in einem solchen
kann ganz erträglich sein, wenn nur die nötigen
sanitären Einrichtungen und eine entsprechende
Trennung der Wohnungen durchgeführt werden.
Dass auch im mehrstöckigen Reihenhause kleine
Wohnungen so aneinandergereiht und eingerichtet
werden können, dass häusliche Abgeschlossenheit und behag
liches Familienleben recht wohl möglich sind, und dass der
Preis sich trotzdem nicht höher zu stellen braucht, als bei den
Mietkasernen schlimmster Art, ist mehrfach praktisch erwiesen.
Für eine selbständige und in jeder Hinsicht befriedigende
Entwickelung unsres Wohnhausbaues ist deshalb der Wett
bewerb möglichst vieler praktisch erfahrener Baufachleute und
die Mitwirkung der besten Künstler dringend zu wünschen.
Sie erscheinen für die immer vollkommenere Ausgestaltung
der Bautypen und für die Verbreitung des Verständnisses der
selben im Volke vorteilhafter als die Massenherstellung der
kleinen Einzelwohnhäuser im Grossbetriebe, die leicht zur
Schablone führt, wenn auch die Benutzung der Erfahrung
bei öfterer Wiederholung ähnlicher Ausführungen und die
gleichzeitige Inangriffnahme mehrerer Bauten manche zweck
mässige Anordnung und manche Ersparnis in der Ausführung
ermöglichen.
Gerade die Notwendigkeit, sich völlig in die Aufgabe
hineinzuarbeiten und weit mehr als beim Luxusbau jede Ab-
Landhaus für Dresden-Strehlen.
(Aus »Einfache Land- und Stadthäuser« )
Zum gleichnamigen Artikel.
Architekt: Hermann Thüme
in Dresden.
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