1903
ARCHITEKTONISCHE MONATSHEFTE
Heft 10
n
Hochschule für die bildenden Künste in Berlin-Charlottenburg. Architekten: Kayser & von Groszheim, Bauräte in Berlin.
Blick in den Haupthof.
und ersten Direktoren der Akademie. — Bei bewährten
Künstlern von dem Rufe der leitenden Architekten, die mit
Baurat Adams als dem Vertreter der Staatsbauverwaltung für
die technischen und finanziellen Arbeiten alle Einzelheiten
sorgsam berieten, ist es nicht besonders zu erwähnen, dass
die Einrichtung und Beleuchtung der Ateliers, die Anlage der
Fussböden und Decken mit allem Raffinement und unter Ver
wendung aller Erfahrungen der Neuzeit auf diesem Gebiete
zur Ausführung kamen, was gleichfalls für die Hochschule für
Musik mit ihren hohen Ansprüchen an akustische Räume,
Schallverhütung u. s. w. gelten muss.
Die bereits angedeutete Einteilung der Hochschule für
Musik lässt nach dem beigefügten Grundriss erkennen, dass
in dem eigentlichen Unterrichtsgebäude, mit einer Front
von etwa 70 m, in der Mitte der Baugruppe an der Fasanen
strasse besonderer Wert auf das schöne Treppenhaus und
das Konferenzzimmer des Direktors gelegt wurde. — Im
übrigen bildet in diesem Teile, der drei grössere Höfe um-
schliesst, eine Hauptaufgabe die wohlgelungene klare Son
derung und Teilung des Verkehrs mit den vielfachen Bedürf
nissen ziemlich heterogener Kunst- und Studienzwecke in den
verschiedenen Geschossen.
In den beiden unteren kräftig gequaderten Geschossen
liegen in der Hauptsache nur Wohnungen nebst der Bibliothek
und der Instrumentensammlung; im 3. und 4. Stock, die im
Mittelbau durch schlanke Pilaster zusammengezogen sind, aus
schliesslich Unterrichtsräume und Zimmer für Direktor und
Lehrer. Mit den Unterrichtsräumen und Sammlungen in näherer
Verbindung steht der Theatersaal, der unter Anwendung
neuerer Mittel in akustischer Hinsicht sehr günstig gestaltet
und in einfacher heller Tönung unter mässiger Anwendung von
Gold zu glücklichster harmonischer Wirkung gebracht wurde.
— Da die hier vorhandene Bühne unter Umständen auch
öffentlichen Aufführungen dienen soll, ist der ganze Apparat
der Kulissen, Versenkungen, Zugänge u. s. w. strengen Vor
schriften unterworfen gewesen. — Der Raum ist bemessen
für 550 Plätze und 150 Sänger (ausser dem Orchester).
Der grosse Musiksaal ist für2000 Personen (einschliess
lich der Mitwirkenden) berechnet und im Hinblick auf seine
allgemeine Bestimmung dem Orchester gegenüber mit einer
geräumigen Kaiserloge versehen worden, zu welcher eine be
sondere Marmortreppe (durch den Vorraum) hinaufführt. Die
Beleuchtung erfolgt durch hohes Oberlicht und hohes Seiten
licht über den tiefen Logen, die in drei Reihen übereinander
vorkragen. Bei einfachen dekorativen Mitteln und Bekleidung
der Wände mit hohen Paneelen ist es durch die Wahl heller
Grundfarben und die Einfügung geschmackvoller Beleuchtungs
körper gelungen, eine würdige festliche Stimmung des Raumes
zu erzielen.
Die imposante Gruppe der beiden neuen Hochschulen
ist ein fürstliches Geschenk an die Stadt Charlottenburg,
zweifellos eine würdige Nachfolge der Technischen Hoch
schule, mit welcher zusammen dies neue akademische Viertel
ein Juwel im Mauerkranze der Nachbarresidenz bildet. Es ist
eine vornehme fein abgewogene Schöpfung im Sinne der mass-
vollen Spätrenaissance mit einer Fülle der schönsten Motive
des Louis-seize- wie des Empirestils, hie und da in freierer
Form durchsetzt von markanten Anklängen der älteren Stile.
Wandarm für Bogenlichtlampen. Entworfen von Cremer & Wolffenstein, Bauräte,
ausgeführt von Hofkunstschlosser Paul Marcus in Berlin.
Von den Ausstellungen des Jahres 1903.
Die deutsche Städteausstellung in Dresden.
■ nter den deutschen Ausstellungen dieses Jahres, an denen die
Architektur in grösserem Masse beteiligt ist, steht die deutsche
Städteausstellung in Dresden unstreitig an erster Stelle in Bezug
auf Reichhaltigkeit und Bedeutung des Dargebotenen. Sie soll
den Stand des deutschen Städtewesens zu Anfang des 20. Jahrhunderts,
insbesondere die Entwicklung der grösseren Gemeinden Deutschlands in
den letzten Jahrzehnten und die Fortschritte auf den verschiedenen Gebieten
der Gemeindeverwaltungen in dieser Zeit veranschaulichen. Sie umfasst
demnach u. a. folgende Gruppen:
1. Verkehr, Beleuchtung, Strassenbau und Entwässerung, Brücken und
Häfen, einschliesslich des gesamten Tiefbau- und Vermessungs
wesens, der Strassenbahnen u. s. w.,
2. Stadterweiterungen, Baupolizei und Wohnungswesen,
3. öffentliche Kunst,
4. allgemeine Gesundheit und Wohlfahrt,
5. Schulwesen,
6. Armen- und Krankenpflege, Wohlthätigkeitsanstalten und Stiftungen,
ausserdem eine reichbeschickte Industrieabteilung und mehrere Sonder
ausstellungen, wie die der Gas-, Wasser- und Elektrizitätswerke, des Sama
riterwesens, des Verbandes der Feuerbestattungsvereine deutscher Sprache
u. s. w.
Die Ausstellung der Städte füllt den ständigen Ausstellungspalast
der Stadt Dresden, der im vorigen Jahre durch Anbauten wesentlich er
weitert ist, während die Industrieausstellung und die Sonderausstellungen
in besonderen für den Zweck errichteten oder noch von früher vorhandenen
grösseren und kleineren Hallen und Pavillons untergebracht sind.
Im ständigen Ausstellungspalaste hat Prof. Fritz Schumacher den
grossen Hauptsaal umgestaltet, indem er im vordem Teile rechts und links
durch hohe Einbauten kleinere Räume abtrennte. Dadurch ist eine wirkungs
volle Durchgangshalle zwischen den Kuppelraum des Haupteingangs und
1
■■
S
63