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Volltext: Die Sammlung antiker Vasen und Terracotten im K. K. Oesterreich. Museum

Zur Geschichte der griechischen Keramik. 
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Führen wir dieses Gesammtbild im Einzelnen durch, so muss zunächst bemerkt 
werden, dass sich im schönen Stile schon in der Wahl der bevorzugten V asenformen ein 
Umschwung geltend macht. Die Schale tritt eigentlich in den Hintergrund. Die Lieblings 
formen des schönen Stiles sind die Olla, die Hydria, die Amphora a colonnette, vor Allem 
aber der Glockenkrater; dazu kommen elegante, zierliche Formen, die Oinochoe und die 
für den Putztisch der Frauen bestimmten Aryballen und Deckelbüchsen. Die Technik 
wird freier und gewandter, indem die eingedrückten Vorzeichnungen, die Reliefcontouren 
und die Innenzeichnung mit verdünntem Firniss aufgegeben werden. In einem späteren 
Stadium wird die Vorliebe für Polychromie wie im schwarzfigurigen Stile wieder mächtig. 
Ein Erlahmen der früheren Sorgfalt und eine gewisse Bequemlichkeit macht sich auch 
insofern bemerkbar, als bei manchen Gefässformen, wie der Olla und dem Glockenkrater, 
die eine Seite als Vorderseite, die andere als Rückseite betont wird. Die letztere wird nun 
in der Regel von den sogenannten Mantelfiguren (Jünglinge in Conversationsscenen, wie 
sie Hieron ausgebildet hatte) eingenommen, Figuren, die sich durch ihre nachlässige Aus 
führung deutlich als etwas Nebensächliches gegenüber der Vorderseite kundgeben. (Mantel 
figuren im strengen Stile. Nr. 338.) Die frühere Ausführlichkeit in der Behandlung der 
Einzelheiten ist durch eine breite und einfache Wiedergabe derselben abgelöst. Es hängt 
dies zusammen mit einer Aenderung der Tracht, die im 5. Jahrhundert in Athen vor sich 
gegangen war, indem die altväterische jonische Tracht mit ihren zierlichen, künstlich gesteiften, 
unzähligen Falten und den complicirten Frisuren einer freien und natürlichen Platz ge 
macht hatte. Die Frauen erscheinen nun mit Vorliebe im dorischen Chiton; bei den 
Männern zeigt sich eine Abweichung vom Brauche des Lebens, indem sie nur mehr mit 
dem Mantel (beziehungsweise der Cfilamys) bekleidet oder vollständig nackt sind. Das, 
worin die Malerei jetzt ihr Höchstes sucht, ist die tadellose Zeichnung des menschlichen 
Körpers, die Schönheit in seiner Haltung und Bewegung. Das Auge, das im strengen 
Stile bei den in Seitenansicht stehenden Figuren in Vorderansicht erscheint, erhält nun 
die richtige Profilbildung. Während in der strengen Zeit die Seitenansicht der Figuren 
das Gewöhnliche ist, die Versuche, eine Vorderansicht zu geben, noch tastend sind 
(vgl. die Durisschale Nr. 324), wird dieselbe jetzt mit Vorliebe gewählt, nachdem man 
für sie ein anmuthiges Schema gefunden hatte; das Standbein, auf welchem der Körper 
mit ausgeschwungener Hüfte ruht, wird im Profil gezeichnet, das Spielbein, dessen Fuss 
nur mit der Zehe auftritt, in Vorderansicht und in leiser Bewegung seitwärts ausgestreckt. 
Auch in der Wahl der Darstellungsgebiete macht sich die Neigung zum Schönen 
und Gefälligeren geltend. Die gewaltigen, wilden und rohen Züge der grossen Helden 
sagen behagen nicht mehr dem Geschmacke, wie man denn die attischen Landessagen, 
die Thaten des Theseus, Amazonenkämpfe, den Raub der Oreithyia und des Kephalos, 
die Aussendung des Triptolemos bevorzugt; an Stelle der dramatisch bewegten Scenen 
im strengen Stile tritt das ruhige, stimmungsvolle, oft nichtssagende Situationsbild, dem 
es vor allem auf das schöne Motiv ankommt, in den Vordergrund. Es ist nur folgerichtig, 
dass der schöne Stil besonders gerne die weibliche Gestalt wählt, ja, dass er direct für 
den weiblichen Geschmack arbeitet. War im strengen Stile die für die Symposien der 
Männer bestimmte Schale das Gefäss, an welchem die Malerei ihr Höchstes leistete, so 
bedeuten Vasen, die den Putztisch der Frauen schmückten, die Salbbüchsen und Oelfläsch- 
chen, die letzte originelle Leistung der attischen Keramik. Für die Frauen bestimmt, 
nehmen sie auch das weibliche Leben zum Gegenstand ihrer Bilder. Es ist nicht das 
erste Mal, dass sich die Maler mit demselben beschäftigen; in der archaischen Zeit wurden
	        
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