die sich ganz allgemein feststellen läßt, daß der strengste Typus der Nikopoia fast
völlig zurücktritt, ebenso das Bild der Hodegetria nur selten vorkommt, dagegen
das Eleousa-Bild, bei dem der sentimentale Zug am stärksten im Vordergrund steht,
zum herrschenden Bild der Gottesmutter wurde. Von einigen hervorragenden
Eleousa-Bildem, wie der berühmten Vladimirskaja — einem griechischen Original
des 12. Jahrhunderts — oder dem Athener Episkepsisbild des 14. Jahrhunderts
existieren zahlreiche Kopien aus allen Jahrhunderten, die die Form der Vorbilder
mit minimalen Variationen übernahmen. Stilistische Unterschiede, die zur Datierung
heranziehbar wären, sind dabei äußerst gering.
Die Bilder der Heiligen sind ebenso oft streng und konventionell, bei einigen wie
etwa Nikolaos oder Panteleimon erhält sich der Kanon stärker als bei anderen,
doch sind ganz allgemein bei ihnen zeitlich gebundene stilistische Unterschiede
deutlicher hervortretend, als bei den Ikonen Christi und Mariens. Am stärksten der
Veränderung unterworfen sind die Szenenbilder.
Führen die russischen Ikonen des 15. und 16. Jahrhunderts am deutlichsten die
überfeinerte Hofkunst der späten Paläologen weiter und oft ins Extrem, so erhalten
die griechischen am stärksten eine höchst ernst zu nehmende ausgewogene Mittel
form zwischen Expression religiöser Überlegungen und Nüchternheit der Abbildung.
Damit aber führen gerade sie den ursprünglichen Geist jener Gattung fort, die immer
in der Mitte zwischen künstlerischem Ausdrucksmittel und kultischem Gerät stehen
muß, um die beabsichtigte Wirkung zu erreichen: das Gebet zu sammeln und die
Gedanken hinzuführen zum Allgemeingültigen, nicht zu einem einzelnen Affekt,
sondern zur Totalität. In dieser Stellung aber äußert sich der Geist der griechischen
Klassik von den Figuren von Olympia und dem Wagenlenker in Delphi bis zu den
Ikonen des 18. Jahrhunderts.
13