Die Ikone bringt wie viele ihrer Art eine ungeklärte Zusammenstellung mehrerer
Heiliger. Hier: links den Hl. Prokop, einen jugendlichen Märtyrer, den Hl. Chara-
lampos, der als Hl. Bischof in der Ostkirche vielfach verehrt wird, und die merk
würdige Figur des Hl. Christophoros Kynokephalos, den Hundsköpfigen (neueste
Literatur: Loeschke, W., Neue Studien zur Darstellung des tierköpfigen Christo
phoros, in: Beiträge zur Kunst des christl. Ostens, Erste Studien-Sammlung, Reck
linghausen, 1965, S. 37 ff). Die Entstehung dieser Ikonographie hat mehrere Möglich
keiten: erstens nahegelegt dadurch, daß die Form wahrscheinlich aus Ägypten
kommt, eine Art Christianisierung des tierköpfigen ägyptischen Gottes Anubis,
der Osiris durch den Nil trug, eine Mythologie, die möglicherweise auf die Legende
von Christophoros, der Christus durch einen Fluß getragen haben soll, übergegangen
ist. Christophoros war ein früher Märtyrer in dessen Vita diese Legende nicht vor
kommt. Eine weitere Möglichkeit wäre die Verbindung mit Tierkopfmasken (diese
nimmt Loeschke an), die bei Primitivvölkern als Zeichen der Dämonenidentifizierung,
um Dämonen zu überwinden, verwendet werden. Da Christophoros einer von den
hervorragenden Überwindern des Bösen und der Sünde gilt, hat diese Erklärung
vieles für sich. Eine sehr naheliegende weitere Erklärung hat eigentlich aber die
größte Wahrscheinlichkeit. In den alten Martyrologien wird Christophoros, der
aus Palästina stammte, als „genere Cananeo“ bezeichnet. Später taucht die Bezeich
nung „genere Canineo“ auf, die wohl ein Schreibfehler ist, wodurch der Hund in
die Legende kam. Einerseits weiß man, wie hartnäckig derartige Irrtümer weiter
geführt wurden und wie man immer wieder nach Erklärungen suchte. Andererseits
kann tatsächlich eine Verbindung des einmal entstandenen Bildes mit den beiden
anderen Versionen, dem ägyptischen tierköpfigen Gott und der Austreibung des
Bösen durch eine Art Magie eingetreten sein. Jedenfalls wird dieses Heiligenbild
auf vielen Ikonen der Ostkirche gebracht (s. dazu auch: Künstle, Ikonographie der
Heiligen, Freiburg, 1926, S. 154 ff). Legende und Darstellung des Kynokephalos
spielen in der Volksfrömmigkeit des Ostens eine große Rolle, wodurch auch die
zugehörigen Ikonen alle eher volkstümlich sind. Dieser Tradition schließt sich auch
das Wiener Stück an, das in den Figuren vor allem den Gewändern starke Schema
tisierungen und auch Verzeichnungen zeigt. Die Gesichter sind detaillierter aus
geführt, aber auch von einfacherer Qualität. Die Form der Köpfe, sowohl die kugelige
des Prokop wie die geigenförmige des Charalampos zeigen stilistische Merkmale,
die dem 17. Jahrhundert angehören.
ÖM, Big. 248
27 IKONE MIT MEHREREN HEILIGEN Abbildung
Griechisch, 17. Jahrhundert
Nußholz, Tempera auf Levkas und Gold
25,3 : 21,8 cm
Flüchtige Namensinschriften in Rot
Die Ikone, die zu jenen mit Zusammenstellung der Figuren auf besonderen Wunsch
gehört, zeigt je drei Heilige in zwei Reihen. Die Anordnung ist dabei ziemlich wahl
los, die wichtige Szene der Deesis oben links ist nur teilweise gezeigt, da die für
bittende Gottesmutter fehlt. Dieser Fehler ist ikonographisch ein schwerer Verstoß
gegen die Ordnung, was die Qualität des Stückes sehr herabsetzt. Wahrscheinlich
geht die Ikone auf eine breitere zurück, auf der oben und unten je fünf Figuren
abgebildet waren, da die Deesis eigentlich in die Mitte des Bildes gehört. Neben
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