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Volltext: Das österreichische Bauwesen

Gegenständen wie Mathematik, Physik, Chemie, Pro 
jektionslehre, Freihandzeichnen auf eine breite Grund 
lage gestellt. In diesen Gegenständen hat der Unterricht 
nicht nur den allgemein-bildenden Charakter wie an den 
höheren realistischen Schultypen zu wahren, sondern 
auch noch das fachliche Moment zu betonen. 
Der gesamte Fachunterricht erfährt eine bedeutsame 
Vertiefung: Pflege des Hochbauwesens vom technischen, 
vom kulturellen und wirtschaftlichen Standpunkte ist 
sein Leitgedanke. In diesen Rahmen wird die äußere und 
innere Gestaltung des Hochbaues mit all seinen kon 
struktiven und statischen Fragen, mit den Fragen der 
Formengebung, des Werkstoffes und der Bauökonomie 
eingepaßt. Der Schüler wird mit dem Kleinhausbau, mit 
dem Bau des größeren Wohnhauses, des Geschäfts 
hauses, mit der Anlage und Einrichtung von öffentlichen 
Bauten, wie Gemeindehäusern, Schulen, mit landwirt 
schaftlichen Bauten, mit den Grundzügen der modernen 
Städte- und Ortschaftsverbauung, mit der Bauordnung, 
mit den Baugewerbegesetzen usw. vertraut gemacht. 
Nicht allein nach diesen Richtlinien wird das Hoch 
bauwesen an den beiden Schultypen didaktisch geför 
dert, es wird im Unterrichte auch den örtlichen Ver 
hältnissen durch weitgehende Pflege der bodenständigen, 
ländlichen Bauweise und der schlichten städtischen Bau 
kunst, wie auch durch das Studium der charakteristi 
schen, bodenständigen Bautypen und deren Verwertung 
im Entwurf und in der Konstruktion Rechnung getragen. 
Das Studium an der Baufachschule schließt mit der 
Reifeprüfung ab, die den Absolventen nach den Be 
stimmungen des Baukonzessionsgesetzes vom Jahre 
1893 Begünstigungen bei der Ablegung der theoretischen 
Meisterprüfung und solche hinsichtlich der Dauer der 
praktischen Verwendung im betreffenden Gewerbe ge 
währt. Auch das Weiterstudium in der gleichen Fach 
richtung an der Technischen Hochschule wird den 
begabteren Baufachschülern seit dem Jahre 1921 unter 
bestimmten Voraussetzungen ermöglicht, wenn auch 
keineswegs der Baufachschule etwa die Aufgabe der 
Vorbereitung für die Hochschule zugedacht ist. 
Mit der Durchführung der Unterrichtspläne ist ein 
Stab besonders qualifizierter Lehrkräfte betraut. Der 
Fachunterricht wird in die Hand von Ingenieuren gelegt, 
welche die Bauingenieurschule oder die Bauschule einer 
österreichischen Technik absolviert haben, beziehungs 
weise es werden mit der Lehraufgabe Fachleute betraut, 
welche die Architekturschule der Akademie der bilden 
den Künste in Wien absolviert haben; in allen Fällen 
wird eine mehrjährige praktische Betätigung im Bau 
wesen verlangt. Der Unterricht in den allgemein bilden 
den und teilweise auch jener in den vorbereitenden 
Fächern wird durch Lehrkräfte besorgt, welche die 
Lehrbefähigung für Mittelschulen nachzuweisen haben. 
Die Bauhandwerker- und die Baufachschulen (Höhere 
Abteilungen für Hochbau) sind Bundesschulen und 
werden im Verbände der bestehenden gewerblichen 
Bundeslehranstalten geführt. Sie unterstehen der gewerb 
lichen Unterrichtsverwaltung, die in das Bundesmini 
sterium für Handel und Verkehr ressortiert. 
Unser Österreich ist mit einem Netze derartiger 
Schulen überzogen, die zumeist ihren Standort in den 
Landeshauptstädten haben. 
Dermalen werden beide Schultypen im Verbände 
der Technisch-gewerblichen Bundeslehranstalt in Wien I. 
(Maschinenbau, Hochbau und Tiefbau), 
der Bundeslehranstalt für das Baufach und Kunstgewerbe 
in Graz, 
der Bundeslehranstalt für Hochbau, Elektrotechnik und 
Frauengewerbe in Salzburg, 
der Bundeslehranstalt für Bau-, Kunstgewerbe und 
Frauenberufe in Villach, 
der Bundeslehranstalt für Hochbau, Elektrotechnik, 
Kunstgewerbe und Schlosserei in Innsbruck 
und je eine Bauhandwerkerschule an der Bundeslehr 
anstalt für Elektrotechnik und Hochbau in Linz an 
der Bundeslehranstalt für das Baufach und für Elektro 
technik in Bregenz und 
an der Bundeslehranstalt für Holz- und Steinbearbeitung 
in Hallein betrieben. 
Nach dem Kriege wurde gleichzeitig mit der Grün 
dung der größten Zentralanstalt Österreichs, der Tech 
nisch-gewerblichen Bundeslehranstalt in Mödling, im 
Verbände dieser eine Höhere Abteilung für Hochbau in 
das Leben gerufen, die ähnlich organisiert ist wie die 
Baufachschule und sich die Pflege der Baukunst zur 
besondere Aufgabe macht. 
Als eine weitere Neuerscheinung im baugewerb 
lichen Bildungswesen sind die an der genannten Zentral 
anstalt und an der Technisch-gewerblichen Bundeslehr 
anstalt in Wien I. entstandenen Tiefbauschulen anzu 
sehen. Durch Schaffung dieser Schulen wurde einem 
längst empfundenen Mangel abgeholfen. Mit Rücksicht 
auf den in den Baufachschulen im Hochbauwesen zu 
bewältigenden, überaus reichen Unterrichtsstoff konnten 
die für den Bautechniker wichtigen Stoffgebiete des 
Tiefbauwesens, wie der städtische Tiefbau, der Straßen 
bau, der Wasserbau kaum gestreift werden. Als man 
in der Nachkriegszeit an die Lösung der großen Bau 
probleme, an den Ausbau der noch ungenützten Wasser 
kräfte und den Bau von Gebirgsstraßen zur Erschließung 
unserer herrlichen Bergwelt ging, wurden die beiden 
1 iefbauschulen zur Heranbildung qualifizierter techni 
scher Hilfskräfte für das Tiefbauwesen in das Leben 
gerufen. Diese Schulen sind nach den gleichen Grund 
sätzen wie die Baufachschulen organisiert; doch wird 
in ihrem Unterrichte mit Rücksicht auf dessen Ziel die 
Konstruktionslehre, die damit im Zusammenhang stehende 
Baustatik, ferner der Eisen- und Eisenbetonbau stärker 
betont. 
In das System der baugewerblichen Unterrichts 
anstalten ist noch die Fachschule für Zimmerer und 
Steinmetze in Hallein einzufügen. Diese dreijährige 
gegliederte Schule, welche der Volksschule entwachsene 
Knaben aufnimmt, die das betreffende Handwerk erlernen 
wollen, ersetzt die Meisterlehre und einen Teil der 
Gehilfenzeit. Demgemäß weist ihr Lehrplan vorwiegend 
praktischen Unterricht auf. 
Schließlich seien noch die zahlreichen nach ver 
schiedenen Fachrichtungen gegliederten baugewerb 
lichen Sonder- und Meisterkurse erwähnt, die im Ver 
bände der baugewerblichen Bundeslehranstalten geführt 
werden und den Zweck verfolgen, den im Erwerbsleben 
bereits Tätigen eine fachliche Weiterbildung auf bau 
gewerblichen Gebieten zu bieten. 
So verfügt unser kleines Österreich trotz der 
Hemmungen, die der Krieg und seine Folgen der 
gesamten wirtschaftlichen Entwicklung unseres Vater 
landes entgegengesetzt haben, zur Förderung der Bau 
gewerbe über eine stattliche Zahl von mustergültig 
gegliederten Lehranstalten, die nach einem fast 60jäh- 
rigen Bestände eine achtunggebietende Höhe in ihrem 
Unterrichte erreicht haben, der getreu den Traditionen 
des Handwerkes aufgebaut ist, die sich ausdrücken in 
dem alten Innungsspruche: 
Soll ein Meister sein, der was ersann, 
Ein Gehilfe, der was kann, 
Ein Lehrling jedermann.
	        
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