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DAS KUNSTGEWERBE.
zeigten daher künhlerifch wenig oder keine Originalität. Nichtsdehoweniger wer
den ihre Arbeiten von beiden Fabriken heute wieder imitirt, feitdem die
Faiencen überhaupt und diejenigen des achtzehnten Jahrhunderts insbefondere
— letztere ziemlich ungerechtfertigter Weife — wieder in Mode gekommen find.
Beide Fabriken waren ihrem Rufe entfprechend auf der Ausheilung vertreten,
fowohl mit diefen Faiencen wie mit Porzellangefchirr, insbefondere technisch
höchft wunderbaren Biscuitarbeiten, die aber fonft kein künftlerifches Intereffe
boten. Rörftrand zeigte aufserdem mit Glück Art und Farbenftimmung der
Paliffy-Arbeiten auf mancherlei Geräth, zum Theil auch auf Oefen angewendet.
Von rein moderner Kunftinduftrie in Scandinavien waren ohne Frage diefe
beiden Fabriken die intereffantefte Erfcheinung. Aufser den imitirten Leder
tapeten waren höchftens einige Bucheinbände bemerkenswerth. Die zahlreichen
im Material fo vortrefflichen Eifenarbeiten, auch die feineren zeigten keinerlei
entfprechende Ornamentation.
Den Hauptreiz auf ein künftlerifches Auge übten die nationalen Arbeiten
in Geweben, Stickereien, Spitzen und Schmuckgegenftänden. Leider waren fie
nur an Coftümfiguren vertreten, die, fo vortrefflich fie in lebensvollen Gruppen
aufgeftellt waren, doch empfindliche Lücken liefsen. Einiges bot die fchwedifche
Ausheilung weiblicher Arbeiten zur Ergänzung. Wir vermifsten unter anderm
die Holzgefchirre Lapplands, die mit ihren gefchnitzten Ornamenten direct an
die Kunh des alten Scandinaviens anknüpfefl, ebenfo in Roth und Schwarz
ornamentirte Leintücher aus dem Süden Schwedens und originell gehickte
Decken Dalekarliens. Immerhin gaben die Cohüme, insbefondere die der
Frauen, fowohl die norwegifchen wie die fchwedifchen, den Reichthum und die
Originalität der ornamentalen Motive zu erkennen, welche in diefen Arbeiten
wie ein ungehobener Schatz ruhen. Es ih nicht genug darauf hinzuweifen, wie
fehr fie in diefer Beziehung für die moderne Induhrie, die überall nach Neuem
fucht, zu verwerthen find. Ein Verfuch ih auch bereits in Norwegen felbh ge
macht, indem ein Goldfehmied in Chrihiania, Tohrup, die bäurifchen Filigrane
für modernen Schmuck und andere Gegenhände verwendet. Auch die Behre-
bungen zur Hebung der weiblichen Arbeiten in Schweden, welche von Damen
geleitet werden und in der bereits erwähnten Specialaushellung ihren Ausdruck
gefunden hatten, weifen bereits auf die Benutzung der nationalen Kunhmotive
hin. Wenn das in erhöhtem Mafse gefchähe, würde es der fchwedifchen Kunh-
induhrie ein Intereffe geben, das ihr heute, wo das Auge von hergebrachter
franzöfifcher Mode überfättigt ih, abgeht.
Aehnlich wie in Skandinavien ih die Lage der Dinge in Rufsland, nur
dafs dasjenige, was modern ih oder richtiger gefagt, was für die moderne Welt
behimmt ih, bedeutender erfcheint, und dafs zugleich mit mehr Confequenz und
Abficht eine Verbindung zwifchen den nationalen Kunhelementen und dem Be
darf der gebildeten Welt angehrebt wird. Auch Rufsland kann fich keiner künft-
lerifchen Vergangenheit rühmen, es kann nicht an ererbte oder erlofchene Tra
ditionen anknüpfen, weicht auf den Höhen der Cultur handen, wenn man nicht
etwa den Byzantinismus feiner kirchlichen Kunh dahin rechnet. Diefer Byzan
tinismus aber ih erharrt, mumifizirt uud in diefer Erharrung, in feinefn unab-