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Volltext: Kunst und Kunstgewerbe auf der Wiener Weltausstellung 1873

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DAS KUNSTGEWERBE. 
zeigten daher künhlerifch wenig oder keine Originalität. Nichtsdehoweniger wer 
den ihre Arbeiten von beiden Fabriken heute wieder imitirt, feitdem die 
Faiencen überhaupt und diejenigen des achtzehnten Jahrhunderts insbefondere 
— letztere ziemlich ungerechtfertigter Weife — wieder in Mode gekommen find. 
Beide Fabriken waren ihrem Rufe entfprechend auf der Ausheilung vertreten, 
fowohl mit diefen Faiencen wie mit Porzellangefchirr, insbefondere technisch 
höchft wunderbaren Biscuitarbeiten, die aber fonft kein künftlerifches Intereffe 
boten. Rörftrand zeigte aufserdem mit Glück Art und Farbenftimmung der 
Paliffy-Arbeiten auf mancherlei Geräth, zum Theil auch auf Oefen angewendet. 
Von rein moderner Kunftinduftrie in Scandinavien waren ohne Frage diefe 
beiden Fabriken die intereffantefte Erfcheinung. Aufser den imitirten Leder 
tapeten waren höchftens einige Bucheinbände bemerkenswerth. Die zahlreichen 
im Material fo vortrefflichen Eifenarbeiten, auch die feineren zeigten keinerlei 
entfprechende Ornamentation. 
Den Hauptreiz auf ein künftlerifches Auge übten die nationalen Arbeiten 
in Geweben, Stickereien, Spitzen und Schmuckgegenftänden. Leider waren fie 
nur an Coftümfiguren vertreten, die, fo vortrefflich fie in lebensvollen Gruppen 
aufgeftellt waren, doch empfindliche Lücken liefsen. Einiges bot die fchwedifche 
Ausheilung weiblicher Arbeiten zur Ergänzung. Wir vermifsten unter anderm 
die Holzgefchirre Lapplands, die mit ihren gefchnitzten Ornamenten direct an 
die Kunh des alten Scandinaviens anknüpfefl, ebenfo in Roth und Schwarz 
ornamentirte Leintücher aus dem Süden Schwedens und originell gehickte 
Decken Dalekarliens. Immerhin gaben die Cohüme, insbefondere die der 
Frauen, fowohl die norwegifchen wie die fchwedifchen, den Reichthum und die 
Originalität der ornamentalen Motive zu erkennen, welche in diefen Arbeiten 
wie ein ungehobener Schatz ruhen. Es ih nicht genug darauf hinzuweifen, wie 
fehr fie in diefer Beziehung für die moderne Induhrie, die überall nach Neuem 
fucht, zu verwerthen find. Ein Verfuch ih auch bereits in Norwegen felbh ge 
macht, indem ein Goldfehmied in Chrihiania, Tohrup, die bäurifchen Filigrane 
für modernen Schmuck und andere Gegenhände verwendet. Auch die Behre- 
bungen zur Hebung der weiblichen Arbeiten in Schweden, welche von Damen 
geleitet werden und in der bereits erwähnten Specialaushellung ihren Ausdruck 
gefunden hatten, weifen bereits auf die Benutzung der nationalen Kunhmotive 
hin. Wenn das in erhöhtem Mafse gefchähe, würde es der fchwedifchen Kunh- 
induhrie ein Intereffe geben, das ihr heute, wo das Auge von hergebrachter 
franzöfifcher Mode überfättigt ih, abgeht. 
Aehnlich wie in Skandinavien ih die Lage der Dinge in Rufsland, nur 
dafs dasjenige, was modern ih oder richtiger gefagt, was für die moderne Welt 
behimmt ih, bedeutender erfcheint, und dafs zugleich mit mehr Confequenz und 
Abficht eine Verbindung zwifchen den nationalen Kunhelementen und dem Be 
darf der gebildeten Welt angehrebt wird. Auch Rufsland kann fich keiner künft- 
lerifchen Vergangenheit rühmen, es kann nicht an ererbte oder erlofchene Tra 
ditionen anknüpfen, weicht auf den Höhen der Cultur handen, wenn man nicht 
etwa den Byzantinismus feiner kirchlichen Kunh dahin rechnet. Diefer Byzan 
tinismus aber ih erharrt, mumifizirt uud in diefer Erharrung, in feinefn unab-
	        
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