II. DIE LÄNDER UND IHRE KUNSTARBEITEN.
143
der, dafs von Generation zu Generation im gleichen Geilte fortarbeitend, die
ganze franzöfifche Künftlerfchaft, foweit fie der Induftrie angehört, den Character
diefer Kunftepoche vollkommen zu dem ihrigen, zu ihrer Natur gemacht haben,
dafs Willkür, Caprice, Regellofigkeit, trotz aller eminenten Gefchicklichkeit, welche
das Refultat zweihundertjähriger Arbeit ift, nach wie vor das innerfte Wefen
ihres Gefchmacks, ihrer Kunftinduftrie bilden. Und diefes Wefen ift mit dem
Nimbus, der die franzöfifche Kunftarbeit, die franzöfifche Mode umftrahlt, fo fehr
die Ueberzeugung der Welt geworden, dafs die Willkür, das individuelle Belie
ben felbft zum philofophifchen Princip des Gefchmacks, zu seinem eigentlichen
Wefen erhoben ift, wodurch Gefchmack und Kunft nothwendig in einen unver-
föhnlichen Gegenfatz treten mufsten. Hatte das achtzehnte Jahrhundert Gefchmack
Faience-Gefäfse und Teller von Th. Deck in Paris.
— Kunft hatte es bekanntlich wenig—, fo konnte das fechz.ehnte Jahrhundert;
die Zeit der Renaiffance, die Zeit einer ftilvollen Kunft keinen gehabt haben, oder
nur da, wo es beginnt, willkürlich zu werden, wo das Barocke feinen Anfang
nimmt. Dann hatte fich auch die franzöfifche Kunftinduftrie des neunzehnten
Jahrhunderts aufserhalb der Kunft geftellt.
So fehr wir diesen Gegenfatz zwifchen Gefchmack und Kunft principiell in
Abrede ftellen müfsen, fo ift doch das Letztere, die ifolirte Stellung der franzö-
fifchen Induftrie abfeits der Kunft thatfächlich nicht unrichtig. Mit ihren Bizar
rerien, ihrer Willkür und Stillofigkeit bildet fie im gewiffem Sinne einen Gegen
fatz. Folgerichtig mufste fich eine Oppofition, die fich gegen fie, gegen diefe
ihre Eigenfchaften erhob, auf den Standpunkt der Kunft ftellen und mufste den
Stil, einen Gefchmack, der mit den Principien der Kunft in Uebereinftimmung fich
befindet, ihnen gegenüber fetzen. Das ift bekanntlich von England aus zuerft ge-