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Volltext: Kunst und Kunstgewerbe auf der Wiener Weltausstellung 1873

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DAS KUNSTGEWERBE. 
dem Salon im Gefchmack des achtzehnten Jahrhunderts das Speifezimmer im Stil 
der Renaiffance gefeilt hat. Die Tendenz dazu ift allerdings von älterem Datum, 
und wir brauchen diefen Stil hier wenigftens nicht mit Nothwendigkelt auf Rech 
nung der neuen Reform zu fetzen. Aber wir haben auch auf dem Gebiete der 
Decorationsgewebe einer Anzahl Sammet- und Seidenftoffe, fowie einiger Tapeten 
zu gedenken gehabt, die, im Stil der Renaiffance, felbft des Mittelalters gehalten, 
entfehieden erft durch die neuen Gefchmacksbeftrebungen in den andern Ländern 
angeregt worden find. Und es waren das auf der Ausftellung grade die fchön- 
ften Leiftungen der franzöfifchen Sammetweberei. Ebenfo hat die kirchliche Kunft 
in geflickten und gewebten Gewändern, wie insbefondere die reiche Ausftellung 
von Henry in Lyon erkennen liefs, eine vollkommene Umwandlung in der Rich 
tung der mittelalterlichen Reform, wie fie von Deutfchland ausgegangen ift, vor 
genommen. Selbft die goldenen und filbernen Kirchengefäfse und Geräthe be 
fanden fich in der glänzenden Expofition von Poussielgue-Rusand zum weit 
aus überwiegenden Theil auf dem beften Wege dahin. 
Minder ausgefprochen zeigt fich diefes bei den franzöfifchen Bronzen. Aller 
dings haben diefe eine bedeutungsvolle Neuerung in jenem Sinne aufzuweifen; 
aber fie liegt mit ihren Formen wenigftens noch an der Gränze jener Zeit, welche 
der franzöfifche Gefchmack während feiner Herrfchaft durchlaufen hat. Diefe 
Neuerung find die blanken Meffmgarbeiten in Lüftres, Lampen, Leuchtern, Uhren 
und anderem Hausgeräth, wie fie feit wenigen Jahren Mode geworden find und 
allerdings weit beffer zu dem neuen, ernfteren Stil der Wohnung paffen. Die 
franzöfifchen Fabrikanten — unter ihnen fcheint Bagues vorzugsweife Specialift 
in Meffing zu fein — nehmen aber nicht die guten Formen der Renaiffance zum 
Mufter, fondern diejenigen des fiebzehnten Jahrhunderts, woher der Charakter des 
Barocken niemals vollftändig abgeflreift erfcheint. Weitaus die überwiegende 
Maffe des zahllofen Bronzegeräths, das in fo mannichfacher Weife dem Haus 
gebrauch zu dienen hat, hält fich in den Formen des achtzehnten Jahrhunderts 
und erfcheint daher auch vergoldet, fei es für fich allein, fei es in Verbindung 
mit Porzellan, mit Marmor oder anderem Material. Die franzöfifche Bronzein- 
duttrie ift aber auch fchon früher gefchickt gewefen in den verfchiedenen bräun 
lichen, fchwärzlichen und grünlichen Farbentönen der Bronze, und fie machte 
auch diesmal vor den ähnlichen Arbeiten der übrigen Länder diefen Vorzug 
geltend, freilich auch nicht immer ohne einen bizarren Anftrich, indem es ihr 
zuweilen mehr um die täufchende Nachahmung der antiken Patina als um die 
Schönheit zu thun ift. 
Man mufs aber die Bedeutung der franzöfifchen Bronzeinduftrie nicht allein 
in dem Haus- oder Luxusgeräth fuchen; fie hat noch ein zweites kaum minder 
bedeutendes Gebiet, worin fie heute noch fo gut wie allein fleht, das find die 
Figuren. Mit diefen Figuren, welche das ganze Gebiet von lebensgrofsen freien 
Gehalten bis zu kleinen Gruppen, Figürchen und Büften für Schreibtifch und 
Etageren umfaffen und oftmals mit höchfler Delicateffe, felbft mit Raffinement 
(wie bei Deniere einige Beifpiele zu fehen waren) ausgeführt find, erhebt fich 
die Bronzefabrikation eigentlich zur hohen Kunft, aber fie ift es doch^ wieder 
nicht, weil fie wie ein induftrielles Gefchäft für Vervielfältigung behandelt wird.
	        
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