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DAS KUNSTGEWERBE.
beften künftlerifchen Kräfte Wiens, wie Storck, Hansen u. a. gefchaffen hat,
fleht in erfter Linie unter allen Leiftungen der modernen Glasinduftrie. Sein
Vorgang ift bahnbrechend; viele der böhmifchen Fabrikanten find demfelben
gefolgt und zeigten auf der Austeilung bereits hübfche Arbeiten in derfelben
Richtung, die man allerdings zuweilen unter der Maffe der veralteten farbigen
und mit anfpruchsvollen Malereien bedeckten Gegenftände erft auffuchen mufste.^J
Liegt hierin die eigentliche oder mindetens die höchfle künftlerifche Art
des böhmifchen Glafes, fo doch nicht die einzige. Eine zweite Art ftrebt es den
Engländern in dem kryftallinifchen, diamantirten Schliff gleich zu thun, aber mit
aller Vollendung kann fie den Effect des englifchen Glafes nicht erreichen, weil
das böhmifche vermöge feines Materials nicht in der gleichen Weife in Farben
fpielt. Es werden daher auch die böhmifchen Kryftall-Luftres niemals diefelbe
Wirkung machen, und fie haben demnach ihr künftlerifches Princip anderswo,
nämlich in der Schönheit und Reinheit der Formen zu fuchen. Diefes Ziel war
auch bei den neueren Kronleuchtern Lobmeyr’s mit Erfolg angeftrebt. Die
dritte Art des böhmifchen Glafes, auf welche fich die Reform bezieht, ift diejenige
des gefärbten Glafes, fei es in der Maffe, in der ganzen Oberfläche, aus welcher
die Zeichnung herausgefchliffen wird, oder theilweife. Diefe Art war vielleicht
am tieften gefunken und bedurfte daher auch am meiften der Hebung. Wir
fahen auch mannichfache Verfuche dazu, nicht blofs beiEobmeyr, deffen neue
Gedanken auch hierin am durchgreifendften waren, fondern auch bei anderen,
z. B. bei Ullrich mit zierlich gefärbten Randornamenten; indeffen erfcheint der
Erfolg keineswegs fo fchlagend wie bei dem klaren Kryftallglas. Manche Ver
fuche knüpften an alte venetianifche Muter von gefärbtem Glafe mit farbigen
Ornamenten in gelungener Weife an.
Das Porzellan ift nicht fo glücklich folche Vorbilder der Vergangenheit zu haben,
wie fie das Glas in den Kryftallgefäfsen oder in den venetianifchen Glasarbeiten
des fechzehnten Jahrhunderts befitzt. Die Uebertragung der Art der italienifchen
Majoliken auf Porzellan hat fich nicht bewährt. Das chinefifche und japanifche
Porzellan vermag allerdings in vieler Beziehung lehrreich zu fein, aber es ift
fchwer für eine nicht geübte Künftlerfchaft, das Barocke davon abzuftreifcn und
das Gute zu behalten. Das moderne öfterreichifche Porzellan wendet fich daher
in feinen Neuerungen den beften Muftern der ehemaligen Wiener P'abrik zu, die
bei fteifen Formen in der Ornamentation allerdings höchft reizende Vorbilder
bieten. Es ift daher zugleich bei diefer Imitation die Aufgabe, die Formen freier
( und lebendiger zu geteilten. Verfchiedene Verfuche auf diefem Wege fahen wir
bei allen öfterreichifchen Porzellanfabriken, die ausgetellt hatten, die gelungenten
wohl bei Haas & Czizek nach Zeichnungen des Architekten Alois Hauser.
Ift im Porzellan die Neuerung bereits rührig und lebendig, fo ift bei der
Regfamkeit und dem Auffchwung, welcher die öfterreichifche Kunftinduftrie er
griffen hat, eine auffallende Erfcheinung, dafs die Kunftfaiencen, die in England
und Frankreich bereits eine fo aufserordentliche Rolle fpielen, noch keinen nen-
nenswerthen Vertreter gefunden haben, ebenfowenig die glafirten Fliefen. Die
Znaimer Fabrikanten haben mit ihrem ausgezeichneten Material allerdings die
Delfter Art nach Muftern aus dem öfterreichifchen Mufeum zu erneuern verflicht,