MAK

Volltext: Kunst und Kunstgewerbe auf der Wiener Weltausstellung 1873

102 
DAS KUNSTGEWERBE. 
beften künftlerifchen Kräfte Wiens, wie Storck, Hansen u. a. gefchaffen hat, 
fleht in erfter Linie unter allen Leiftungen der modernen Glasinduftrie. Sein 
Vorgang ift bahnbrechend; viele der böhmifchen Fabrikanten find demfelben 
gefolgt und zeigten auf der Austeilung bereits hübfche Arbeiten in derfelben 
Richtung, die man allerdings zuweilen unter der Maffe der veralteten farbigen 
und mit anfpruchsvollen Malereien bedeckten Gegenftände erft auffuchen mufste.^J 
Liegt hierin die eigentliche oder mindetens die höchfle künftlerifche Art 
des böhmifchen Glafes, fo doch nicht die einzige. Eine zweite Art ftrebt es den 
Engländern in dem kryftallinifchen, diamantirten Schliff gleich zu thun, aber mit 
aller Vollendung kann fie den Effect des englifchen Glafes nicht erreichen, weil 
das böhmifche vermöge feines Materials nicht in der gleichen Weife in Farben 
fpielt. Es werden daher auch die böhmifchen Kryftall-Luftres niemals diefelbe 
Wirkung machen, und fie haben demnach ihr künftlerifches Princip anderswo, 
nämlich in der Schönheit und Reinheit der Formen zu fuchen. Diefes Ziel war 
auch bei den neueren Kronleuchtern Lobmeyr’s mit Erfolg angeftrebt. Die 
dritte Art des böhmifchen Glafes, auf welche fich die Reform bezieht, ift diejenige 
des gefärbten Glafes, fei es in der Maffe, in der ganzen Oberfläche, aus welcher 
die Zeichnung herausgefchliffen wird, oder theilweife. Diefe Art war vielleicht 
am tieften gefunken und bedurfte daher auch am meiften der Hebung. Wir 
fahen auch mannichfache Verfuche dazu, nicht blofs beiEobmeyr, deffen neue 
Gedanken auch hierin am durchgreifendften waren, fondern auch bei anderen, 
z. B. bei Ullrich mit zierlich gefärbten Randornamenten; indeffen erfcheint der 
Erfolg keineswegs fo fchlagend wie bei dem klaren Kryftallglas. Manche Ver 
fuche knüpften an alte venetianifche Muter von gefärbtem Glafe mit farbigen 
Ornamenten in gelungener Weife an. 
Das Porzellan ift nicht fo glücklich folche Vorbilder der Vergangenheit zu haben, 
wie fie das Glas in den Kryftallgefäfsen oder in den venetianifchen Glasarbeiten 
des fechzehnten Jahrhunderts befitzt. Die Uebertragung der Art der italienifchen 
Majoliken auf Porzellan hat fich nicht bewährt. Das chinefifche und japanifche 
Porzellan vermag allerdings in vieler Beziehung lehrreich zu fein, aber es ift 
fchwer für eine nicht geübte Künftlerfchaft, das Barocke davon abzuftreifcn und 
das Gute zu behalten. Das moderne öfterreichifche Porzellan wendet fich daher 
in feinen Neuerungen den beften Muftern der ehemaligen Wiener P'abrik zu, die 
bei fteifen Formen in der Ornamentation allerdings höchft reizende Vorbilder 
bieten. Es ift daher zugleich bei diefer Imitation die Aufgabe, die Formen freier 
( und lebendiger zu geteilten. Verfchiedene Verfuche auf diefem Wege fahen wir 
bei allen öfterreichifchen Porzellanfabriken, die ausgetellt hatten, die gelungenten 
wohl bei Haas & Czizek nach Zeichnungen des Architekten Alois Hauser. 
Ift im Porzellan die Neuerung bereits rührig und lebendig, fo ift bei der 
Regfamkeit und dem Auffchwung, welcher die öfterreichifche Kunftinduftrie er 
griffen hat, eine auffallende Erfcheinung, dafs die Kunftfaiencen, die in England 
und Frankreich bereits eine fo aufserordentliche Rolle fpielen, noch keinen nen- 
nenswerthen Vertreter gefunden haben, ebenfowenig die glafirten Fliefen. Die 
Znaimer Fabrikanten haben mit ihrem ausgezeichneten Material allerdings die 
Delfter Art nach Muftern aus dem öfterreichifchen Mufeum zu erneuern verflicht,
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.