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DIE FRAUENARBEIT.
Vögel und Blumen leuchteten, Arbeiten, welche weniger durch die Zeichnung
als durch Glanz und Schimmer an ähnliche Producte Indiens erinnerten.
Die Gold- und Silberbenähung, der koltbarlte und blendendfte Schmuck der
Gewebe ift fo recht eigentlich in Indien daheim, und was diefes Land von
folchen Dingen, von mit Gold und Silber überfchütteten Gewändern und Decken
gebracht hatte, wurde von keinem anderen Lande erreicht. In den Prachtwerken
jndifcher Technik dient der Goldfaden oder das blitzende Schnürchen nicht als
Randverzierung, nicht als koftbarer Schmuck, fondern wird zum Beftandtheile
des Gewebes, das es nahezu vollkommen bedeckt, und welches nur hie und da
durch die meid herrliche Zeichnung blickt, und ihr als dunkler Untergrund, als
Folie dient, aus der das fchimmernde Gepränge mit doppelter Gewalt leuchtet.
Die Deffins erfcheinen meid in grofsen Zügen gezeichnet, da id nichts kleinlich,
nichts angdvoll klügelnd überdacht, fondern leicht, fchwunghaft fchlingt fich
Palme um Palme ineinander, und zieht grofsartige weite Linien über den dunklen
Sammet oder die purpurne Seide, auf der die Lad von Gold und Silber liegt.
Während der Befchauer wie geblendet vor diefen blitzenden, glühenden
Dingen dand, welche die Mehrzahl der Schränke füllten, begegnete fein Auge
da und dort auch anderen, weicheren Geweben, auf denen die ködliche Seide, der
feine, wollene Faden lag, und in verfchiedenartiger Technik verwendet, demUnter-
doffe originellen Reiz verlieh. Es waren da Ueberwürfe und Shawls, auf denen
mit weifser oder mit fchwarzer offener Seide grofse Blumen und Ornamente in
Flachdickerei ausgeführt waren, und den ganzen Untergrund bedeckten. Die
Arbeit fah lofe gefügt aus, die Stiche waren fehr lang und die offene Seide lag
nicht knapp und dramm auf dem Stoffe; aber eben dadurch machte die Arbeit
einen unendlich fchmiegfamen, weichen, kühlen Eindruck, fo wie man fich die
Gewänder denkt, die unter der heifsen, indifchen Sonne mit Behagen zu ver
wenden find. Ebenfo ködlich und weich waren die Shawls von Cafchmir, auf
denen die Seide gleich den Schnürchen in fchöner Zeichnung aufgenäht war,
und durch die hie und da ein flimmernder Goldfaden zog, und dem Ganzen den
Reiz fröhlichen, hellen Schmuckes verlieh. Die Shawls, nach perfifcher Art mit
feinen Deffins durchnäht, dafs de fo ausfehen, als .wären die Blümchen und Orna
mente hineingewebt, waren auch in Indien zu finden, und darunter mancher, in
welchem ein ganzes Heer von Menfchen- und Thiergeftalten durcheinander
wimmelten, oft komifch grotesk gefügt, meift aber in finniger Anordnung, fo
dafs fich bei näherer Betrachtung Bilder und Scenen aus der Gegenwart und
Vergangenheit Indiens in dem fcheinbar wirren Durcheinander enträthfeln liefsen.
Viel naiver als diefe gewebten oder genähten Krieger und Frauen, Kameele,
Pferd^, Vögel, Fürften und Diener zeigten fich hie und da Nachbildungen der
Thiere in Seide und Gold, auf fammetenen Decken, der Löwe, der Hirfch im
Sprunge, mit dicken Füfsen, einem rothen Zünglein und Augen voll leuchtenden
Flittergoldes.
Die Tambourarbeit in bunter Seide, wie fie überall im Orient geübt wird,
hatte Indien in unvergleichlicher Schönheit gebracht, und jedes Ding erfchien
tadellos, auf dem die feinen Kettenftiche lagen, die nicht feiten mit anderer
Technik vereint, neue, niegefehene Erfcheinungen abgaben. Mohn- und Cactus-