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Volltext: Kunst und Kunstgewerbe auf der Wiener Weltausstellung 1873

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OEFFENTLICHE KUNSTPFLEGE. 
gehendes Kunftleben, und die Provinzialmuseen find fchon feit langer Zeit viel 
beffer organifirt, als die im ganzen deutfchen Reiche. 
Die deutfchen Höfe find nicht mehr grofse Mittelpunkte für Kunftbeftre- 
bungen, wie es theilweife früher der Fall war. Nur fehr wenige deutfche Fürften 
find Amateurs, und Kunftfreunde im eigentlichen Sinne des Wortes, — «adparent 
rari nantes in gurgite vasto». An den Höfen wei'den neben höfifchen Intereffen 
nur politifche, kirchliche und Familienangelegenheiten gepflegt. Für das Kunftleben 
ift diefs nicht ohne üble Folgen; faft überall dominirt eine gewiffe Bureaukratie 
— und insbefondere die Baubureaukraten find es, welche der Entwicklung der 
Architektur und der mit ihnen in Verbindung flehenden decorativen Künfte im 
deutfchen Reiche hemmend in den Weg treten. 
Der Mangel an vornehmen und an reichen Amateurs mit wirklicher Kunft- 
bildung, welche in Frankreich und England fo zahlreich find, weift die Künftler 
auf Hervorbringung eines gewiffen Mittelgutes hin und drückt wie die künftlerifche 
Fachbildung fo auch die Kunftfchulen, vor Allem die Malerfchulen auf ein ge- 
wiffes Mittelmafs in dem, was gelehrt, in dem was angeftrebt wird, herab, das 
theilweife weit abfeits von dem liegt, was die eigentliche Kunft und Kunftbildung 
verlangt. Dazu kommt noch das überwuchernde Kunftvereinsleben, das gleich 
falls die Mittelmäfsigkeit in der Kunft befördert. 
„Nicht dafs die Franzofen talentvoller find, als wir Deutfche, — fagte 
zu mir vor Kurzem ein hervorragender deutfcher Künftler drückte uns auf 
der Weltausftellung, fondern das, dafs die Franzofen mehr und gründlicher lernen, 
als es bei uns der Fall ift.“ — Und das ift eine der wichtigften Lehren, welche 
die Weltausftellung uns gab; es mufs der Kunftunterricht an den deutfchen 
Kunftfchulen unjfaffender und gründlicher betrieben werden, wenn überhaupt die 
Schäden der modernen deutfchen Kunft von ihren Wurzeln aus befeitigt werden 
füllen, die im Unterrichte ihren Boden haben. Es ift allerdings der akademifche 
Kunftunterricht pedantifch und doctrinär betrieben worden, und es ift gut gewe- 
fen, dafs die Romantik und der Realismus, die jetzt an den meiften deutfchen 
Kunftfchulen dominiren, den akademifchen Zopf entfernt haben, der jede poe- 
tifche Eigenart erdrückte. Aber nachdem dies gefchehen ift, wird es doch wieder 
gut fein, auf das Methodifche des Unterrichtes ein befonderes Gewicht zu legen 
und mit mehr Gründlichkeit das zu pflegen, was einzig und allein Gegenftand 
des akademifchen Unterrichtes fein kann. Und das ift es, was die franzöfifchen 
Künftler fo auszeichnet; fie haben Schule, fie wiffen mehr und wiffen gründlicher; 
und fie befchäftigen fich mit dem, was zum Wefen der grofsen Kunft gehört, an 
ihren Kunftfchulen ernfthafter. 
Sie kennen nicht blofs die Antike und den menfchlichen Körper gründli 
cher, als die deutfchen Künftler; fie haben auch eine eingehendere Kenntnifs der 
alten Meifter. Nicht blofs das zur Gewohnheit gewordene Studium der alten 
Gemälde im Louvre giebt ihnen das P'undament zu einer tüchtigen künftlerifchen 
Fachbildung, nicht blofs die Art und Weife, wie fie an ihren Akademien in Rom 
und Athen Kunft überhaupt, alte Kunft fpeciell ftudiren, fondern auch ihr Um 
gang mit den Amateurs und mit den Kennern erweitert ihren künftlerifchen Ge- 
fichtskreis. Sie wiffen, was ein maitrc bedeutet, in der Vergangenheit wie in der
	        
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