MAK

Volltext: Kunst und Kunstgewerbe auf der Wiener Weltausstellung 1873

III. FRANKREICH. 
295 
noch der befondere Antrieb gekommen ift, jede Spur einer Scharte auszuwetzen, 
fo ift von allen Seiten eine Rührigkeit und Opferwilligkeit an den Tag gelegt, 
die es bewirkt hat, dafs kaum ein irgendwie klangvoller Name aus der jetzigen 
Künftlergeneration auf der Weltausftellung unvertreten war; Und dabei hat 
Frankreich es möglich gemacht, dafs Taft kein Werk von der Ausheilung von 
1867 hier wieder erfchienen ift. Namentlich die bedeutendften Künftler, ein 
Meiffonnier, Gerome, Bouguereau, Boulanger u. f. w., auch die berühmten Por 
trätmaler, wie Cabanel, Duran, Nelie Jacquemart u. A. treten mit durchweg neuen 
Werken auf. 
In ihrer Gefammterfcheinung zeigt diefe modernfte franzöfifche Kunft wie 
derum, dafs das künftlerifche Können und Wiffen fich dort einer Pflege erfreut, 
wie vielleicht nirgend fonft wo. Jeder Meifter felbft zweiten und dritten Ranges 
ift bewufst und klar in feinen Zielen und beherrfcht ficher und gewandt die zu 
feinem Zwecke erforderliche Technik; Unfertigkeiten in Zeichnung und Pinfel 
führung kommen nicht vor, abfolute Thorheiten, gräuliche Fadheiten und Albern 
heiten, wie fie anderwärts wohl vorgeführt zu werden pflegen, gehören hier fo 
zu den Ausnahmen, dafs man vielleicht fagen kann, man findet fie gar nicht, 
abgefehen natürlich von einem Gefichtspunkte, auf den ich nach diefem der All 
gemeinheit gefpendeten Lobe hinweifen mufs. Der technifchen Meifterfchaft fleht 
nämlich ein Mangel an einfach natürlichem Gefühl, an wahrhaft künftlerifchen 
Ideen gegenüber, und es wird diefem Mangel mit einem Hafchen nach den 
pikanteften, barockften, mitunter abflofsendflen Sujets abzuhelfen gefucht, fo dafs 
man fich einem Gefühle der Unheimlichkeit und der Befremdung in den Räumen 
der franzöfifchen Kunfi kaum entziehen kann. Aber diefe Schwächen werden 
durch jene guten Eigenfchaften faft in Vegeffenheit gebracht, deren inniger Zu- 
fammenhang mit der Cultivirung einer wahrhaft grofsartigen national-monumen 
talen Kunfi: vorher ausgeführt ifi. Liegt es doch auch gar nicht so fern, die 
unnatürlichen Appetite, welche fleh in der Auswahl der Stoffe kundthun, auf 
die ungefunde Temperatur der gefellfchaftlichen Atmofphäre während der letzten 
Decennien zurückzuführen, und wenn man auch in den augenblicklich herrfchen- 
den Zuftänden Frankreichs noch keine Gewähr für eine gefundere Luft finden 
kann, in welcher die Kunst ruhig Athem fchöpfen könnte, fo ift doch die 
Rückkehr zu foliden Zufländen immerhin näher gerückt, als noch vor wenigen 
Jahren. 
Ein höchft anerkennenswerthes Taktgefühl haben die Franzofen darin be 
währt, dafs fie die riefigen Schlachtenbilder, durch welche fie die früheren Grofs- 
thaten ihrer „unbefieglichen Armee“ zu verherrlichen ftets übermäfsig befirebt 
waren, nicht haben auf der Weltausftellung erfcheinen laffen, fondern dafs die 
Kriegsbilder, die überhaupt vorhanden find, faft ausfchliefslich dem letzten Kriege 
angehören und zwar ihre Vorwürfe in genrehalter Auffaffung und, beiläufig gleich 
hier zu erwähnen, mit einer feltenen Vortrefflichkeit behandeln; fo z. B. was 
Protais und Berne-Bellecour in diefer Art geliefert haben. All die zahlreich ge 
malten Fanfaronaden und Beleidigungen des Gegners hat man unterdrückt.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.