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PLASTIK UND MALEREI.
thümliche Auffaffung des biblifchen Stoffes hat allerdings beffimmte Grenzen,
über die Gebhardt immerhin nicht hinauskommt, aber jedenfalls war auf dei
Ausheilung kein zweites religiöfes Bild von fo warmer, gemüthvoller und origi
neller Empfindung vorhanden.
Seit mehreren Jahren find ferner bereits bekannt: die ruhende Nymphe im
Walde von Ferdinand Sch aufs, im Vortrag vielleicht nicht fehr kräftig, aber
in der Stimmung fein, dabei bemerkenswerth durch die mafsvolle Behandlung
des Nackten, die nicht fowohl den berüchtigten Mühler’fchen Bannftrahl, als den
Ankauf von Seiten der Wiener Akademie begreiflich macht; dann auch Henne
berg’s »Jagd nach dem Glück«, eine der beften neueren Erwerbungen der Na-
tional-Galerie in Berlin. Es gewährte ein befonderes Intereffe, wieder vor diefes
Bild zu treten, nachdem man eben auf der franzöfifchen Seite Sirouy’s Ge
mälde gleichen Gegenftandes gefehen. Es kann kein Zweifel darüber beftehen,
dafs der deutfche Künftler den Vorwurf ungleich geiftvoller, fchlagender, origi
neller gefafst hat. Der Kriegsmann zu Rofs, der mit verhängtem Zügel auf
fchwindelnder Bahn dem lockenden Truggebilde nachjagt, über den Körper des
geliebten Weibes hinweg, das fleh ihm warnend in den Weg geworfen, während
ein zweiter Reiter, der Tod, ihn bereits einholt und der Boden im nächften
Augenblick unter ihm fchwinden wird: das ift treffend und mit fchlagender Ver
körperung des allegorifchen Motivs erfunden, im Geilte der deutfehen Kunft des
16. Jahrhunderts, die fleh mit Vorliebe in folchen Todesphantafien erging, aber
zugleich wieder neu und eigenthümlich. 'Und doch wird es vielen, die erft die
Photographie und dann das Original kennen lernten, ähnlich ergangen fein, wie
mir felbft. Ich fand nicht Alles, was ich erwartet hatte. Bei ficherer Meifterfchaft
in der Farbe klebt diefer doch zu fehr die Schwere des Materiellen an; das
phantaftifche Element hätte in Vortrag und Lichtwirkung zur Geltung kommen
müfsen. Sirouy’s glühendes Colorit trifft eher den richtigen Ton. In der Ge-
ftalt der Glücksgöttin felbft haben fleh weder der Franzofe noch der Deutfche
hinreichend über das Conventionelle erhoben.
Eine neue Erfcheinung bot uns Auguft von Heyden in feinen Wal-
kyren, die über das Schlachtfeld reiten, voll Schwung in der Erfindung, aber
nicht bedeutend und mächtig genug in Formen und Ausdruck. Heyden tritt
uns viel anziehender und ganz anders der Sache Herr in feinen kleineren Ge
mälden gegenüber, dem fein geflammten »Fefttagsmorgen« aus der Berliner Na
tionalgalerie und der „Prinzeffin Clemence“, welche die Bedingung erfüllt, fleh den
Abgefandten des Königs von Frankreich, der um fle wirbt, nackt zu zeigen.
Ein eigener, gefährlicher Vorwurf, der nur dann wahrhaft künftlerifch verwerthet
werden kann, wenn der Maler ihn mit vollem, fchlichtem Ernft, ohne den leife-
ften Anflug des Gefallfüchtigen und Sinnlichen giebt. Das aber hat Auguft von
Heyden durchaus verbanden; feine Auffaffung ift das ausgefprochene Gegentheil
von derjenigen Gerome’s in der »Phryne vor den Richtern«, in welcher das
widrige Aufwallen der Lüfternheit und das Speculiren auf folche den Ton an
geben. Mit ruhigem Adel tritt die völlig entkleidete Prinzeffin aus dem Vor
hang, der ihr Lager umfchliefst, hervor; ehrfurchtsvoll laffen die Abgefandten,
der ältefte knieend, ihre Augen auf dem fchönen Weibe ruhen, wie auf einem