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PLASTIK UND MALEREI.
ift ebenfo bedeutend durch die überrafchende Wahrheit in der Schilderung der
Alpennatur, wie durch die reiche, ftets individuell charakterifirte, gediegen durch
gearbeitete und dem Ganzen zu richtiger Wirkung eingeordnete Staffage.
Die glücklichfte und begabtefte Natur unter allen Genremalern der Münche
ner Schule ift Franz Defregger, der Tiroler Bauer, der erft im Alter von
fünfundzwanzig Jahren fich der Kunft zuwendete, dann mit feinem Speckbacher,
der 1869 auf der Münchener Ausheilung erfchien, einen durcbfchlagenden Erfolg
hatte, und der nun hier, obwohl ihn längere Zeit eine jetzt glücklich überwun
dene Lähmung an das Lager gefeffelt hielt, in vier neuen, höchft anziehenden
Werken uns entgegentrat. Defregger ift in denn Volksleben, aus dem er her-
vorgewachfen, zu Haufe; leicht und einfach findet er die Situationen, in welchen
Teller von Mintons in Stoke upon Trent.
dies immer neu und eigentümlich, und zwar vorwiegend im Charakter des Be
haglichen und Herzlich-Gemüthlichen, zum Ausdruck kommt. „Der Ball auf der
Alm“ zeigt uns in dem tanzenden Paare, dem kecken, luftigen Alten und der
drallen Dirne Gehalten von überrafchender Lebendigkeit und Wahrheit. Eine
befonders reiche, in jedem Zuge anfprechende und individuelle Compofition
zeigt ein zweites Bild „Das Preispferd“, das im Triumph in das heimifche Dorf
zurückgeführt und da von Alt und Jung bewundert wird. Auf den zwei andern
Gemälden kommt der Ausdruck des Gemüthes noch feiner und wärmer, ohne
jeden fentimentalen Anflug, ohne jedes Hinauffchrauben über die gegebene
Sphäre, zur Geltung. Das eine, „Die Brüder“, fchildert die Rückkehr eines
jungen Schülers, der in der Stadt'feine Studien durchgemacht, in das bäuerliche
Vaterhaus, wo ihn die Seinen in froher Herzlichkeit und doch mit der Empfin
dung, dafs er etwas Befonderes fei, begrüfsen und er das kleine, in der Zwifchen-
zeit angelangte Brüderchen, das ihn fremd anftarrt, in die Arme nimmt. Wie
liebenswürdig ift endlich der Kintritt der wandernden italienifchen Sänger in
die Tiroler Bauernftube; wie ächt der Gegenfatz zwifchen den frohen, behag
lichen Infaffen des Haufes, von denen jeder voll Theilnahme, jeder fo, wie es feinem
Alter und Charakter zukommt, auf die ungewohnten, fchwermüthigen Töne laufcht,
und dem armen, fremden Wanderer mit feinen Kindern, die fchüchtern in die