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Volltext: Kunst und Kunstgewerbe auf der Wiener Weltausstellung 1873

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DIE VERVIELFÄLTIGENDEN KÜNSTE. 
der franzöfifchen Radirung länger verweilten, fo foll dies nicht zu Ungunften jener 
Meifler gedeutet werden, welche ein weniger umfangreiches Regifter beherrschen, 
vielmehr, wie in der Malerei, fo auch in der geätzten Zeichnung ihrer einmal 
eingefchlagenen Richtung treu bleiben, als: Leon Gaucherel, Maxime Lalanne 
und deren Beider Schüler Brunet-Debaines und Rajon, ferner Delauney, 
Rochebrune, V eyraffat u. A. Ausgezeichnet find fie Alle durch einen feinen 
Sinn für Lichtwirkung, fei es in Contraften, fei es in feiner Abtönung. Beffer als 
es hier auf kleinen Kupferplatten gefchieht, kann auch die kühnfte Malerei nicht 
Schattenmaffen bewältigen, Raum- und Luftwirkung verfolgen. Eine befondere 
Gruppe unter diefen Meiftern bilden noch diejenigen, welche mit Vorliebe archi- 
tektonifche Anfichten wiedergeben und dabei ein feltenes Verftändnifs hiftorifcher 
Bauformen an den Tag legen. 
Bedeutfame Anftrengungen macht auch die franzöfifche Lithographie in 
ihrem Streben, fich der Radirung und wohl gar auch dem linearen Kupferftich 
an die Seite zu ftellen. Seitdem Alexandre Calame und Eugene Blcry die Ori 
ginal-Lithographie mit fo viel Erfolg cultivirt haben, ift die Steinzeichnung buch- 
ftäblich falonfähig geworden. Sie dient nun manchen Malern als Surrogat für die 
fchwierigere Kupferradirung, wie z. B. Achille Sirouy. Andere bedienen fich ihrer 
zum Studium und zur Reproduction fremder Werke, wenn es auch nicht Jedem 
fo gut gelingt wie E. L. Vernier mit der Wiedergabe von Landfchaften Corot’s, 
deffen graue, ftaubige Malweife wie für die Lithographie prädeflinirt crfcheint. 
Kühne Neuerungen auf diefem Gebiete zeigen dagegen zwei von Alexandre Col- 
lette ausgeftellte grofse Blätter, die Himmelfahrt Chrifti nach Pietro Perugino 
und die heilige Familie des Königs Franz I. nach Raphael. Jene, theils mit der 
Feder, theils mit dem Stift ausgeführt, ift ein Verfuch, den Contouren Fertigkeit 
zu verleihen, ohne die Zartheit der Schattirung aufzuheben; diefe ift eine genaue 
Nachzeichnung des berühmten Edelinck’fchen Stiches mittelft der Feder. Letztere 
Leiftung ift von crftaunlicher Kraft und vertagt nur etwa beim Ucbergang in die 
höchften Lichter die Wirkung. 
Eine Kunfttechnik, welcher die illuftrationsluftige Gegenwart und mehr noch 
vielleicht die Zukunft eine grofse Rolle anweift, der Holzfchnitt, findet in 
Frankreich gleichfalls erfolgreiche Pflege. Und zwar ift es nicht fowohl die über 
triebene, nach rohen Effecten hafchende Richtung, welche der Gaukler Guftav 
Dore feinen Holzfchneidern aufgezwungen hat, cs ift vielmehr eine ftreng zeich 
nende, mafsvoll abtonende Art und Weife, welche uns auf der franzöfifchen Aus- 
ftellung vorgeführt wurde. Dabei mufs es als eine ehrenwerthe, allerwärts nach 
zuahmende Einrichtung hervorgehoben werden, dafs die Holzfchneider felbft als 
ausftellende Künftler auftraten. Der Spielraum, welcher dadurch dem perfönlichen 
Ehrgeiz geboten wird, ift das befte Mittel, eine fo leicht zu induftriellem Betriebe 
herabfinkende Kunfttechnik vor Verflachung und Verfall zu fchützen. 
Schliefslich find wir aber auch dem franzöfifchen Grabftichclblatte auf 
der Weltausftellung noch eine nähere Betrachtung fchuldig. Wie bereits oben 
erwähnt, hat diefelbe allerdings wenig Tröftliches. Wo ift fie hin, die vergangene 
Pracht, an welche die Namen Maffard, Maffon und Morin im Kataloge ohne ihr 
Verfchulden erinnern? Falt fcheint es, als wäre die berühmte Stecherfchule,
	        
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