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Volltext: Kunst und Kunstgewerbe auf der Wiener Weltausstellung 1873

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ZEICHEN- UND KUNSTUNTERRICHT. 
cipien nicht allzu genau nahmen und im Grofsen und Ganzen noch der Willkür 
des vergangenen Jahrhunderts huldigten, lenkten in deutlich erkennbarer Weife 
während der letzten Jahre in die von der Wiffenfchaft vorgezeichneten Bahnen 
ein, und felbft in Rufsland, das bis dahin in diefen Dingen faft ausfchliefslich 
von Frankreich abhing, erwachte ein ernfterer GeifI und wurde das kunftmdu- 
ftrielle Schaffen zu den Quellen der nationalen Kund zurückgeführt. Nur Deutfch- 
land zögerte, fich der modernen Strömung anzufchliefsen; feine alten Kunft- 
fchulen verfolgten meiftens den breitgetretenen Weg hergebrachter Traditionen. 
Erft in allerjüngfter Zeit ift auch hier das Bewufstfein durchgedrungen, dafs eine 
Reform nöthig ift. 
Die Weltausftellung von 1873 illuftrirte die Beftrebungen der Gegenwart 
auf dem Gebiete des Kunftunterrichtes in umfaffender Weife. 
Was zunächft den Zeichenunterricht in Oefterreich anbelangt, fo datirt 
eine eigentliche Pflege deffelben in den unteren und mittleren Unterrichtsan 
ftalten erft feit den Fünfzigerjahren und zwar waren es die damals gegründeten 
Realschulen, in welchen diefer Gegenftand in den allgemeinen Unterricht aufge 
nommen wurde. Der vorwiegend gewerbliche oder vielmehr technifche Charakter 
der bezeichneten Anftalten gebot damals dem Zeichnen, fleh als dienendes Glied 
dem Lehrplane einzufügen und hauptfächlich in einer gewiffen manuellen Fertig 
keit das Ziel zu fuchen. Die öfterreichifche Realfchule hat jedoch heute eine 
breitere Bafis erhalten ; das Zeichnen hat dadurch erft feine eigentliche Be 
deutung gewonnen, dafs der humaniftifche Theil deffelben jetzt in den Vorder 
grund tritt und die Fertigkeit als folche diefem höheren Zwecke dienftbar ge 
macht wird. Diefs kann jedoch nur mit tüchtigen und vielfeitig gebildeten 
Lehrern und mit gediegenen Lehrmitteln erreicht werden. Nach beiden Rich 
tungen hin find in letzterer Zeit entfprechende Verfügungen getroffen worden und 
darum hat fleh in erfter Linie das öfterreichische Mufeum verdient gemacht. 
Durch die Errichtung eines Seminars für Zeichenlehrer ift es den Candidaten 
möglich geworden, fich auch in allen nothwendigen Hilfswiffenfchaften für ihren 
Beruf auszubilden, und die Vervielfältigung gediegener Vorlagen hat den Zei- 
chenfälen eine Fülle guter Lehrmittel zugeführt. 
Die bisherigen Erfolge des Zeichenunterrichtes in Oefterreich an den Real- 
fchulen find, wenn man bedenkt, dafs fich der Gegenftand erft in den Schulen 
einbürgern mufste und mit mannigfachen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, im 
Grofsen und Ganzen als glänzend zu bezeichnen, und wenn hie und da noch 
Schwächen zu Tage treten, fo-find fie nur in einigen Anftalten in den Provinzen 
zu fuchen , deren Dotirung mit Lehrmitteln noch keine gleichmäfsig gute ift. 
Obenan ftehen die Anftalten von Wien. 
In der Lehrmethode zeigen fich nur geringe Verfchiedenheiten, die aus den 
individuellen Anfchauungen der Lehrer und oft auch aus örtlichen Verhältniffen 
der Schulen hervorgehen. In den böhmifchen Realfchulen, welche noch nach 
dem alten Syfteme eingerichtet find, hat das technifche Zeichnen noch die Ober 
hand; doch findet an vielen Anftalten, zunächft in Prag, auch das freie Zeichnen 
feine richtige Pflege. 
Gröfsere Verfchiedenheit herrfcht im Zeichenunterricht noch an den Real-
	        
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