wiß, „das dieser Zukunftsstil der ,Nutzstil 4 sein wird, dem wir
mit vollen Segeln zusteuern“.
Gleich darauf findet sich ein schönes Wort: „Legen wir ihm überdies
noch das Streben nach innerer Wahrheit als Ideal in den Schoß, so wird
er auch in ästhetischer Beziehung seine Berechtigung haben.“
Hier haben wir schon den ganzenWagner, auch den späteren, der sich
bereits so entschieden in dem früheren regt.
Nichts Besseres kann ich mir für ein neues junges Architektenge
schlecht denken, als das Studium der Wagnerschen Mappen, nicht zuletzt
dieser ersten Sammlung, die eine Auswahl seiner Frühwerke enthält.
Wenn man von dem absieht, was für unseren heutigen Geschmack zu
viel an „freier Renaissance“ daran ist, dann winken dem Betrachter reine
Freuden und nicht minder reichlicher Gewinn. Zugleich aber muß zuge
geben werden, daß der äußere Aufwand an Mitteln durchaus der inneren
Großzügigkeit desWurfes entspricht, daß somit also das wesentliche Merk
mal jeder echten Kunst, die innere Wahrheit nämlich, nicht fehlt.
Aber wir lieben heute das Einfache, fast Nüchterne, vor allem das
Schlichte. Und selbst da, wo die Größe der Aufgabe zwingt, die Weisheit
der Alten um Rat zu fragen, geben wir dem Traditionellen unsere ein
fache Gebärde, zuweilen aus innerem Bedürfnis, zuweilen aber nur, um
die Quelle zu verschleiern.
Alles, was an diesen Schöpfungen Wagners „historisch“ anmutet, kann
man sich im heutigen Sinne umgeschaffen denken, indem man die äußeren
Ausdrucksmittel auf den Ton unserer Zeit stimmt. Aber das Wesentliche
wird bleiben: der großartige Zug in seinen Anlagen, die imponierenden
Größenverhältnisse, der ungeheure und überwältigende Rhythmus, dieser
ganz auf funktionelles Leben gestellte ungewöhnliche Organisationsgeist,
der kommende Bedürfnisse vorausahnt und sie erfüllt, ehe sie da sind, vor
allem aber die Quintessenz des Ganzen: der fabelhafte Grundriß.
AufdiesesWesentliche hin betrachtet, zeigt sich erst, wie modern Wagner
damals schon war, bevor es eine Moderne gab; er ist es nicht nur im
Sinn der heutigen Konvention, sondern im Sinn der besten Zeiten und
kann darum eigentlich nie unmodern werden.
54