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merken; edle, sachliche Ruhe und Einfachheit ist der vorherrschende 
Charakter aller Stadtbahnbauten. Wenn sie uns klassizistisch anmuten, 
so kommt es daher, weil sie überaus klangvolle rhythmische Verhältnisse 
aufweisen, ohne daß der streng logischen Nutzform irgendwie Gewalt ge 
schähe äußeren Wirkungen zuliebe. Am Gitterwerk, an Kandelabern und 
ähnlichen dekorativer Behandlung zugänglichen Bestandteilen treten 
schon sezessionistische Muster auf; zum Glück aber dominieren sie nicht. 
Nicht einmal an den Stadtbahnhäuschen am Karlsplatz fallen sie mehr 
auf. Sonne und Regen haben das ihrige getan, um die Sonnenblumen und 
sonstigen einst aufreizenden, heute lächerlichen Ornamente der wüsten 
Sezessionszeit zu verwischen. Sie sind dort aufgemalt, aber die grünlichen 
Papageienhäuschen haben mit der Zeit eine Patina gewonnen, die den 
Lärm mildtätig dämpft. 
Eine Zeitlang war in Wien ein böses Geschrei, die zwei winzigen Häus 
chen verschandeln den Karlsplatz! Das ist natürlich übertrieben und ten 
denziös; denn in der Form sind sie immerhin gut und als Objekt sind sie 
viel zu klein, um dem Riesen-Karlsplatz etwas anhaben zu können. Ohne 
daß ich sie übermäßig verteidigen möchte, muß ich den Kläffern Zurufen: 
Respekt! Ehret in diesen Kleinigkeiten den Großen, der sie gebaut hat! 
Dagegen hat er im übrigen an der Stadtbahn wahrhaft großstädtische 
und dabei gemütvoll ansprechende Stationshäuser gebaut; man denke an 
Heiligenstadt, Nußdorfer Straße, Währinger Straße, Hietzing, monumen 
tale Überbrückungen und Durchfahrten und sinnreiche Untergrundan 
lagen in der Wiental-Linie. 
Als Muster neuzeitlicher Bahnhofanlagen können die Endpunkte Heili 
genstadt und Hütteldorf gelten mit ihren weißen Gebäuden inmitten von 
Gemüsegärten und Feldern, mit ihren weißen Kassenhallen, ihren be 
quemen Bahnsteigen und — was das Entscheidende ist — mit ihrer Auf 
lösung des Bahnhofes in ein Perronsystem. Keine riesige Tonne mehr aus 
Glas und Eisen, diese üble, zugige, rauchgeschwängerte Bahnhofshalle, 
dieses Monstrum der fünfziger Jahre, das gläubig angebetet wurde bis 
auf den heutigen Tag, obzwar kein Architekt etwas Rechtes damit an 
zufangen wußte. 
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