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Am 13. Juli 1911 wurde der siebzigste Geburtstag Otto Wagners ge 
feiert. Geistige und künstlerische Mächte aus aller Welt ehrten den 
großen Menschen und seltenen Künstler; die Menschheit grüßte 
ihn als Führer und Bahnbrecher auf dem Gebiete der Baukunst. Sein 
Name ist nicht nur in der Wiener Heimat populär; größer noch wirkt er 
im Ausland: Rom, Paris, Petersburg, London, und die großen amerikani 
schen Städte haben ihn bei jedem Anlaß mit besonderen Ehren ausge 
zeichnet. Und Wien ? 
Wer es noch nicht wußte oder es noch nicht wissen wollte, konnte es 
nun auch in der engeren Heimat in allen Zeitungen lesen, wer OttoWagner 
ist: seit Fischer von Erlach der größte Baukünstler Österreichs und über 
diese relative Bedeutung hinaus ein Erneuerer, der die Bauentwicklung 
aus der Historie ins neue Jahrhundert herübertrug. Nach Schinkel und 
Semper kommt Wagner. Was weder Schinkel noch Semper zu ihrer Zeit 
sein konnten, und worin ihm auch keiner der lebenden großen Baukünstler 
gleichkommt, das ist Wagner; der erste und bisher einzige moderne Groß 
stadtarchitekt. Er ist somit überhaupt der größte Baukünstler von heute 
und mit Stolz sage ich es, daß er Wiener ist. Als der richtige Genius ist er 
bestimmt gewesen, nicht nur der Welt dieWege neuer, zeitgemäßer, groß 
städtischer Baukunst zu weisen, sondern der alten Kaiserstadt zu ihrem 
verblichenen Glanz eine neue Schönheit zu geben, die ihren Ruhm 
erhält und befestigt. Aufträge und wieder Aufträge, das ist die einzige, 
richtige Anerkennung, die die Stadt ihrem grossen Sohn schuldig war — 
und leider auch schuldig geblieben ist. 
Denn dieses Wien besitzt neben anderen bedeutsamen Eigenschaften 
auch das eigenartige Talent, sich die wertvollsten Begabungen vom Leib 
zu halten, oder sie zu demütigen. Allen Großen ist es hier so ergangen.
	        
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