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Gruppe III. Chemische Industrie.
Körnern, sondern auch in denselben vor dem Keimungsprocess; von
Witt ich ] ) konnte dasselbe durch Glycerin aus Gerstemnehl extrahiren.
Der Vorgang der Keimung hat daher die Aufgabe, Diastase zwar
nicht zu erzeugen, wohl aber zu vermehren. Auf einem Irrthume be
ruht es wohl, wenn von Wittich bereits die Existenz der ganzen
Diastasemenge im ungekeimten Samenkorn annimmt; wozu sonst der
Process der Malzbereitung?
Die Diastase lässt sich nach von Wittich durch Glycerin leicht
aus den verschiedensten Materialien extrahiren, und zeigt somit, dem
Glycerin gegenüber, ein den thierischen Fermenten gleiches Verhalten.
Die ungeheuer grosse Verbreitung von diastatischen Fermenten
hat Alex. Schmidt nachgewiesen, indem er selbst aus dem reinsten
schwedischen Filtrirpapier ein diastatisches Ferment extrahiren konnte.
Der Chemismus des VerzuckerungsVorganges durch die Diastase ist
in mehr als einer Richtung noch unaufgeklärt zu nennen.
Im Anfang nahm man an, es werde die Stärke durch Diastase
vollständig in Zucker übergeführt, und es finden sich sogar in
Handbüchern der analytischen Chemie Angaben über quantitative Be
stimmung der Stärke durch Ueberführung in Zucker mittelst Diastase 3 ).
Allein bereits Musculns 3 ) führt an, dass sich die Umwandlung
der Stärke niemals vollständig bewerkstelligen lasse. Aus drei Mole-
culen Stärkemehl entständen regelmässig zwei Molecule Dextrin und
nur ein Molecul Zucker.
Hiergegen ist Payen aufgetreten und hat behauptet, es Hessen
sich grössere Mengen von Zucker, nicht 1 / 3 der angewandten Stärke
entsprechend, sondern 1 /q derselben erhalten. Auch Balling in seinem
Lehrbucho der Gährungschemie erhielt bei seinen Versuchen mehr
Zucker, selbst bis zu 2 / 3 der angewandten Stärke.
Jedenfalls ergeben alle diese Untersuchungen das gemeinsame Re
sultat, dass es niemals gelingt, die Stärke durch Diastase
vollständig in Zucker überzuführen, sondern dass eine
wesentliche Menge nur in Dextrin verwandelt wird.
In neuerer Zeit sind Untersuchungen in dieser Richtung von
Schwarzer 4 ) wieder aufgenommen und ha)>en zu einer Bestätigung
des Payen’sehen Resultates, dass nämlich auf zwei Molecule Stärke
mehl ein Molecul Zucker und ein Molecul Dextrin entsteht, geführt.
Nur bei Temperaturen, welche über 70° C. lagen, bildete sich
Zucker und Dextrin in dem von Musculus angegebenen Verhältniss
von 1 Zucker zu 2 Dextrin.
J ) von Witticli, Pflüger’s Archiv für Physiologie III, 1870, 347.
a ) Diese Methode kann selbstverständlich niemals in der Praxis versucht
worden sein, da sie auf irrigen Voraussetzungen beruht. 3 ) Musculus,
Ann. ehim. phys. 1860, LX, 203. 4 ) Schwarzer, Journ. f. pr. Chem. N. F.
Bd. I, 212.