42 CHRISTUS AM ÖLBERG
Holzschnitt, 39,2: 27,8 cm
Monogramm AD
Um 1497/98
Aus: Die Große Passion: Folge von 12 Holzschnitten, die zunächst in der Zeit zwischen
1496 und 1500 entstand und 1510 erweitert wurde
1511 als Buchausgabe erschienen:, ,Passio domini nostri Jesu per Fratrem Chelidonium
collecta cum figuris Alberti Dureri, nostri pictoris Nurenberg 1511“
Ritter, S. 54; Inv.-Nr. K. I. 2909 (H III 26)
Innerhalb der im Zentrum von Dürers Schaffen stehenden Passion Christi beschäftigte
den Künstler kein anderes Thema so nachhaltig wie das des Ölberges. Bei den in
Holzschnitt, Kupferstich und Zeichnung zahlreich vertretenen verschiedenen Fas
sungen sind zwei Typen der Darstellung Christi am Ölberg zu unterscheiden: das
„Gebet und der „Aufschrei“. Das Blatt aus der Großen Holzschnittpassion gehört
zur letzteren Gruppe. Die beiden Typen sind durch den Wechsel der seelischen Stim
mung Christi, die in der Spannung von Gottferne und Gottnähe liegt, bestimmt
sowie in der Gott-Mensch-Spannung in Christus selbst, wobei Dürer primär die
Menschseite hervorhebt.
Dürer kennzeichnet in dieser frühen Ölbergdarstellung Christus als den in der Ent
scheidungsstunde Verlassenen, der von Angst und Zagheit ergriffen wird, gemäß
der Stimmung der Evangeliumsworte bei Markus (14, 32—42), Christus habe zu
zittern und zu zagen begonnen.
Der Kelch, der bei Markus und Matthäus übereinstimmend im Sinne des Passions
symbols geschildert wird, wird mit dem Engel in Verbindung gebracht, der nur
bei Lukas angeführt ist. Allerdings erwähnt Lukas seinerseits den Kelch nicht. Durch
den Engel aber, der den Leidenskelch zeigt, bekommt die Angstgebärde Christi
ihren Sinn. Die Erregtheit der Gethsemanestunde wird durch die starke Kontrastierung
der Hell-Dunkel-Werte noch weiter unterstrichen. Dieses nun so stark menschlich
gewordene Christusbild zeichnet sich durch porträthafte Züge aus, die im weiteren
Schaffen Dürers fortgeführt werden sollen.
Von dem frühen Blatt der Großen Holzschnittpassion aus, das ganz durch die Ver
zweiflung der Gottferne geprägt ist, kommt Dürer in den späten Zeichnungen zu
jener Auffassung, daß Christus als Mensch seinen eigenen Willen aufgibt, um sich
in Demut einem höheren zu beugen, in der Gewißheit, daß der höhere Wille auch
der bessere ist.
Die Szene ist, wie alle der Passion, nicht mit einem Blick zu erfassen und entbehrt
eigentlich bildmäßiger Wirkung. Dicht gruppiert ist sie bewegt gezeichnet, sehr
drastisch und mit volkstümlichen, realistischen Einzelheiten. Die Figuren sind in die
sie dominierende Landschaft gleichsam verwoben, die ihrerseits aber durch die
Dramatik der Handlung bestimmt ist. So betonen Landschaft und Figur gleichermaßen
den Schmerz, die Katastrophe, eigentlich die Hoffnungslosigkeit des Leidens. Diese
Elemente werden mit aller Deutlichkeit und Schärfe geschildert, bis zum Eindruck
des Unheimlichen und Düsteren, unterstützt durch die krause Linienführung und die
stark gebrochenen Falten der Gewänder.
Lit.: Bartsch 6 — Dodgson, Cat., I, S. 274, 15 — Kurth 121 — Meder 115 — Tietze,
I, 102 — Panofsky, II, 226 — Hollstein, VII, 115 — Knappe 185 — Domik-Eger,
Albrecht Dürer und die Graphik der Reformationszeit, Schriften der Bibi. d. Ö. M., 2,
Wien, 1969, Nr. 5 — Katalog Albrecht Dürer, Nürnberg, 1971, Nr. 597 — Buchholz,
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