seines Schaffens aber stand die wissenschaftliche Auseinandersetzung. Nicht der
ästhetische Eindruck, das künstlerische Vorbild faszinierte ihn an der italienischen
Renaissance primär, sondern die theoretische, wissenschaftliche Grundlage künstleri
schen Schaffens in den Lehren der Proportion und Perspektive. Die beiden italienischen
Reisen brachten Dürer die Erkenntnis, daß das Schöne auf dem Wege der Messung
zu bestimmen und philosophisch zu deuten sei, er setzte sich mit Erkenntnissen
der Arbeiten eines Leonardo und Alberti auseinander und fand in Euklid eine
wesentliche Quelle.
Die Weiterführung seiner mathematisch-naturwissenschaftlichen Forschungen ermög
lichten ihm der Nürnberger Humanistenkreis, seine freundschaftlichen Beziehungen
zu Willibald Pirckheimer, dessen Bibliothek Dürer die antike Überlieferung und die
Arbeiten der Renaissance weiter erschloß, seine gemeinsamen Arbeiten und Studien
mit Johannes Stabius und Johann Tschertte. Auf Grund der persönlichen Studien
bei diesen Gelehrten wie auch auf Grund der Studien der von ihnen empfohlenen
Bücher konnte Dürer, der Praktiker, der sich selbst zum Theoretiker erzog und
schulte, zum bedeutenden Mittler zwischen Theorie und Praxis werden.
Jedoch die mathematisch-naturwissenschaftliche Fundierung seiner Werke allein
schien dem zum Humanisten gewordenen Künstler nicht zu genügen. Das sich selbst
gestellte Ziel der Universalität verlangte auch die Kenntnis von Symbolik und
Emblematik und die Möglichkeit, diese in Schaubares zu transponieren, eine Orna
mentik zu entwickeln, deren scheinbare Zufälligkeiten von tiefen Erkenntnissen
getragen sind.
Gerade dieses Denken aber gibt Dürer die geistige Verbindung zu Maximilian, der,
Gleiches wollend, die Fähigkeit vermißt, diese seine Überlegungen anschaulich
darzustellen und so auf die Fähigkeit des ihm geistig verwandten Praktikers angewiesen
und zugleich von dessen Fähigkeit fasziniert ist. Darüber hinaus verbinden sie aber
auch die Kreise, die sie suchen, denn gerade ein Pirckheimer, Stabius, Tschertte
sind für den Kaiser und seinen Künstler die Schulenden, auf deren Wort, Schrift und
Lehre sie angewiesen sind.
Das sich gegenseitige Ergänzen, das sie verbindet und über die Stellung von monarchi
schem Mäzen und ausführendem Künstler hinaushebt, hatte zu ihrer Zeit eine
merkwürdige Parallele in dem Verhältnis Julius’ II. zu Michelangelo.
Ob hier von seiten Maximilians eine zumindest zum Teil bewußte Rivalität vorlag
oder ob es sich um eine der interessanten Polaritäten oder zufällige Parallelen der
Geschichte oder überhaupt um einen der Zeit entsprechenden allgemeinen Repräsenta
tionswunsch handelt, muß als Frage offenbleiben.
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