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Erscheinen des neuen Gewerbegesetzes vom 20. December 1859, mit
dem die Aufhebung des Zunft- und Schulzwanges erfolgte, hoben
sich diese Schulen sehr in ihren qualitativen Erfolgen, da sie hiedurch
von jenen unfähigen Elementen befreit wurden.
Am 17. Jänner 1867 wurde vom k. k. Unterrichts-Ministerium
eine eigene k. k. Gewerbeschul-Commission ernannt, welche aus Ver
tretern der k. k. Landes-Schul- und Gewerbe-Behörde, des n. ö.
Landes-Ausschusses und der n. ö. Handelskammer gebildet war und
die Leitung der Gewerbeschulen Wiens aus den Händen der n. ö.
Handelskammer, nach deren zehnjährigem Regime übernahm. Diese
k. k. Commission arbeitete ein neues Unterrichts-Statut aus, nach
welchem jede vollständige Gewerbeschule aus Vorbereitungs-, techni
schen und Fach-Abtheilungen zu bestehen hat, und eine neuerliche
Vermehrung der Unterrichtszeit erforderlich wurde. Im Jahre 1867
betrug die Schülerzahl an sämmtlichen 6 Gewerbeschulen V iens
bereits 1440. Dem hier geschilderten lobenswerten Eiter, mit wel
chem Wien allen Städten des Reiches voranschritt, folgten die meisten
Provinzial-Hauptstädte durch Errichtung zahlreicher, ähnlich ein
gerichteter Gewerbeschulen an den daselbst bestehendenRealschulen*).
So entstanden Gewerbeschulen: 1860 in Laibach, 1864 in
Budweis, Graz, an den am flachen Lande in Nieder-Oesterreich
bestehenden 7 Landes-Mittelschulen, 1865 in Salzburg, 1866 in
Czernowitz u. s. w.
In gleicher Richtung mit den Gewerbeschulen wirkend sind hier
auch noch die an österr. Hochschulen durch mehrere Decennien
gehaltenen populären Vorträge für Arbeiter zu erwähnen. So wurden
bereits bei erfolgter Wiedererrichtung der Innsbrucker Universität
*) Vor der letzten Reorganisirung der Realschulen wurde als zweiter
Zweck der Unter-Realsehulen die Vorbereitung für’s gewerbliche Leben
bezeichnet, so dass dieselben als eine Art gewerblicher Mittelschulen gelten
konnten. Auch waren einigen Unter-Realschulen sogenannte praktische Curse
angefügt, in welchen unter Anderm: Technologie, Waarenkunde, Buchhal
tung, Uultur-Geschiehte u. s. w. gelehrt wurden, so z. B. an der Gumpen-
dorfer Realschule in Wien, in Prag und Pisek. Nach der Reorganisirung der
Realschulen wurden dieselben jedoch lediglich zu \ orbereitungs-Schulen für
die technische Hochschule umgestaltet. Gewerbliche Mittelschulen, die für s
praktische Leben direct vorbereiten, wie solche in Deutschland in grosser
Zahl vorhanden sind, besitzt Oesterreich derzeit nicht.
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