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in den ersten Jahrzehnden unseres Jahrhunderts einen Stillstand in
dieser Industrie eintreten. Der damals an der Wiener chirurgischen
Schule zur Geltung gelangende Grundsatz möglichster Einfachheit
in den mechanischen Heilmitteln, sowie andere, zum Theile noch jetzt
bestehende Verhältnisse, auf welche ich in meinen Berichten über die
Weltausstellungen zu London 1862 und zu Paris 1867 hindeutete,
mögen ebenfalls zu diesem Stillstände in der Fortentwicklung beige
tragen haben. Kern, der Gründer der neueren Wiener Schule, hat
nur wenige chirurgische Geräte angegeben und diese zeichneten sich
sämmtlich durch grosse Einfachheit aus. Der Umstand, dass in diesen
Jahrzehnden die gleichnamige Industrie Englands, namentlich aber
Frankreichs durch Erfindung neuer Operationen (z. B. Lithotrypsie),
durch Ausführung neuer Technicismen und leichter gefälliger Formen,
durch vorzügliches Material und elegante Ausstattung einen unge
heuren Aufschwung nahm, Hess den besprochenen Stillstand unserer
Fabrieation als Bückschritt erscheinen und bestimmte eine lange
Beihe von Jahren hindurch viele unserer Aerzte, ihre Taschen-Etuis,
ihre wichtigeren Instrumente und Bandagen aus Paris oder London
zu beziehen, wodurch der einheimischen Fabrieation nebst der Ge
legenheit bedeutende Summen und mit diesen ein wichtiger Factor
der Weiterentwicklung entzogen wurde.
Nichtsdestoweniger haben unsere Fabrikanten nicht aufgehört,
in chirurgischen Instrumenten und Bandagen Tüchtiges zu leisten,
und obwohl ihnen an materieller Unterstützung und Kraft zu eigenen
namentlich grösseren neuen Ausführungen gebrach; so bemächtigten
sie sich sehr bald aller fremdländischen Neuerungen in Form und
Technik und lieferten (ungefähr seit 1840) eine Production, welche
endlich nur Wenig oder Nichts zu wünschen übrig Hess; wozu die An
leitung und Ermunterung, sowie mannigfache Erfindungen der damals
zur Geltung gelangenden jüngeren Chirurgen sehr wesentlich beitrugen.
Namentlich Professor Schuh hat seit dieser Zeit durch vielfache
Anreg ung [auf die fortschreitende Entwicklung der Fabrieation von
Instrumenten und Bandagen einen bedeutenden Einfluss geübt*).
*)' Franz Schuh wurde 1804 zu Scheibbs in Nieder-Oesterreich gebo
ren, absolvirte seine medicinischen Studien und wurde 1831 zum Doctor
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