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Es muss übrigens hervorgehoben werden, dass die meisten der
grösseren industriellen Etablissements der Monarchie, die Gasbe
leuchtung gewöhnlich in eigener Regie anwenden*) und dass auch
die nicht gasförmigen Destillationsprodu«te durch die chemische
Industrie ihre Verwertung finden.
So werden die Gaswässer der Wiener Anstalten durch die
chemische Productenfabrik zu Liesing zur Gewinnung von Ammoniak-
Salzen angewendet, und es verarbeitet die Theerproducten-Fabrik
des E. Pilhal in Simmering bei Wien den Steinkohlentheer auf die
verschiedenen darin enthaltenen Producte.
Die Oleum-Brennerei. Die chemische Industrie Oester
reichs ist in ihren Anfängen mit dem Bergbau und dem Hüttenwesen
innig verbunden und war ursprünglich auf das Vorkommen von
Kiesen und anderen Schwefelungen basirt, welche man theils durch
einfaches Verwitternlassen in Vitriole umwandelte, theils durch Destil
lation Schwefel daraus gewann und die erhaltenen schwefelärmeren
und leicht verwitterbaren Abbrände auf Vitriole verarbeitete. Diese
wurden theils als solche verwendet, theils aber mit den Mutterlaugen
zur Gewinnung von Vitriolöl benützt und das hier fallende caput
mortuum als Anstrichfarbe in den Handel gebracht.
Diese Industrie, welche auch heute noch in ausgedehntem Mass-
stabe betrieben wird, zerfiel in zwei grosse Gruppen, und zwar in die
der Steinkohlen-Begion im Pilsener Kreise und in die der Braunkohl en-
Region im Elbogener Kreise, erstere mit Vitriolöl, letztere mit
Schwefel, Alaun und Eisenvitriol als Hauptproducten.
Das älteste „Mineralwerk“, welches jetzt noch, allerdings in
verändertem Zustande existirt, ist das im Jahre 1630**) zuLukawitz
(Herrschaft Nassaberg) in Böhmen errichtete, welches auf das zufällig
*) In einer der grössten Lederfabriken Oesterreichs, nämlich in der yon
Franz Schmitt in Rehberg bei Krems, wird das Gas aus den beim Abscha
ben der Häute entstandenen Abfällen producirt.
**) Jedenfalls gab es schon vor jener Zeit Alaunwerke in Böhmen und
cs dürfte der Berghauptmann von Gendorf der erste gewesen sein, welcher
diese Industrie einfiihrte, die Alaungewinnung zu Schaschowitz betrieb und
diese Werke zu hoher Blüte brachte, namentlich nachdem im Jahre 1549
das Verbot der Einfuhr von Alaun und Vitriol erfolgte und y. Gendorf