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Mit dem Eintritte der dreissiger Jahre trug der Eingangs
erwähnte Gedanke der Kaiserin Maria Theresia bereits reichlich
Früchte. Deutscher Fleiss, deutsches Wissen hatte die Steppen mul
Pussten Ungarns bereits urbar gemacht und der reiche Ertrag seines
gesegneten Bodens ergoss sich nach den sämmtlichen Mühlen der
Umgebung Wiens. Speditions-Häuser wurden in Wieselburg errichtet,
um den aus dem Banate auf grossen Schiffen verfrachteten Weizen
weiter zu befördern. Wir sehen Fuhrleute mit ihren zahllosen Wägen
die Ernte Ungarns in mächtigen Caravanen den. nieder-österreichi
schen Mühlen zuführen, und Wien, sowie dessen Umgebung mit dem
besten Getreide gleichsam überschwemmt. Ungarn wurde die Korn
kammer Wiens.
Es stellte sich nun alsbald ein kleiner Absatz von Mehl nach
Brünn und Prag ein, umsomehr, als die Bäcker Wiens bereits eine
neue Back-Methode eingeführt hatten, welche sich in den Provinzen
zu verbreiten anfing.
Wenn auch in diesem Jahrzehnt hie und da einige grosse
Mühlwerke entstanden, welche nach den neuesten Erfahrungen erbaut
wurden, aber die Art der Wiener Mahlerei ignorirten, so büssten es
dieselben schwer, indem ihnen kleinere Werke durch die Einführung
unseres Mahl-Systems überlegen wurden. Wie oft hörte man damals
umfangreichen mit Zeichnungen ausgestatteten historisch sehr interessanten
Elaboraten (Preisbewerbungs-Schriften). Einige waren noch versiegelt, bei
allen das unverletzte, eine Devise tragende Couvert, dessen Inhalt der Name
des Autors. Wir gehen hier eine Copie des diessbezüglichen Circulares der
nieder-österreichischen Landesregierung:
Seine K. K. Majestät haben allergnädigst zu bewilligen geruht, dass die Angabe der besten
wesentlichsten leicht ausführbaren nicht kostspieligen Verbesserung in der Konstruktion der in
der osterr. Monarchie üblichen Mahlmiihlen ein Preis von Zweyhundert Ducaten, welche, wenn
es die "Wichtigkeit der Erfindung verdient, verdoppelt werden sollen, ausgesetzt werde.
Der Schlusstermin für die Eingaben wird auf den letzten Dezember 1826 festgesetzt.
Die Preiswerber können ihre Preisschriften, sammtden allenfalls dazu gehörigen Zeichnungen
und Modellen entweder bey der K. K. N.-Ö. Landesregierung in Wien, oder aber auch bey der
ihnen nächst gelegenen Landesstelle in einer andern Provinz einreichen.
Den Preiswerbern aus dem Auslande ist verstattet, ihre Preisschriften nicht nur bey der
nächsten Landesstelle einer österreichischen Provinz, sondern auch im Auslande bey einer
K. K. österr. Gesandtschaft zu überreichen, von welcher dann die weitere Einsendung veran
staltet werden würde.
Die Beurtheilung der Preisschriften wird einer, aus theoretischen und praktischen Sachver
ständigen zusammengesetzten Commission übertragen, und der Preis der mit den angegebenen
Eigenschaften versehenen Verbesserung zu erkannt werden.
Jeder mit einer Devise bezeichneten Preisschrift ist ein mit derselben Devise versehenes
versiegeltes Billet, welches den Nahmen und W’ohnort des Verfassers angiebt, beyzulegen.
Wien, am 18. Januar 1826.
Augustin Reichmann Freyherr von Hochkirchen, Mathias Constantin Graf von "Wikenburg,
K. K. N.-Ö. Regierungs-Präsident. K. K. N.-Ö. Regierungsrath.
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