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Die Industriellen sind genötigt, ihren Bedarf an Rohstoff aus
anderen Ländern zu beziehen.
Die Woll-Production Ungarns dagegen hob sich und betrug in
den dreissiger Jahren bereits 38.000 Centner jährlich, im Preise \on
165—190 fl. per Centner. Sie wurde zunächst zur Deckung des
Bedarfs der mährischen Industrie eingeführt.
Auch in Ungarn, wo seiner Zeit die vom Grafen Hunyadi
errichtete Schäferei wegen ihrer rationellen Schafzüchtung hoch
berühmt war, erlitt die Schafzucht einen Rückgang und die Indu
striellen müssen den Bedarf an Wolle aus fremden Ländern, z. B.
aus Russland, wo mittlerweile die Schafzucht emporkam, aus
Australien etc. einführen.
Der immer grösser werdende Fabriks-Betrieb lenkte die Auf
merksamkeit auf Ersatzquellen von Rohstoff.
Vollendetere Arbeits-Maschinen gestatten jetzt „Ausputz“, das
sind Wollabfälle, die beim Schrobbeln entstehen und „Enden“, das
sind Garnabfälle beim Spinnen, Weben u. s. w., welche früher einen
nicht unbedeutenden Ausfuhr-Artikel nach Belgien bildeten, als
Rohstoff zu verwenden. — Ebenso ist in der „Kunstwolle“, das ist
eine Wolle, die aus verschiedenen Wollstoff-Lumpen, Abschnitzeln,
Saaleuden, Garnenden etc., durch Zerreissen und nachherigesKrempeln
gewonnen wird, ein billiger Rohstoff gefunden. — Auch die Haut-
wolle, Gerberwolle und Kämmlinge finden schon seit Langem
mannigfache Verwendung. — Seihst Scheerhaare, die früher aus
geführt und zur Herstellung der velutirten Tapeten benutzt wurden,
werden mit zu verwenden gesucht.
1856 wurde der Versuch gemacht, Schafwolle mit Baumwolle
zu vermischen, dann melirt versponnen und die aus solchen Garnen
erzeugten Stoffe kamen unter dem Kamen „Vigogne-Stoffe“ in den
Handel, fanden ihrer Billigkeit wegen grossen Absatz, wurden aber
durch das Steigen der Baumwoll-Preise in Folge des amerikanischen
Krieges wieder und nur zum Vortheile des bewährten Brünner Rufes
verdrängt.
Die Mode machte ihren Einfluss auch auf den Rohstoff geltend;
so benutzte man Haare vom Vigogna-Thier, von dem Kameele, der
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