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II.
Der sehr geehrte Herr Verfasser vorstehenden Artikels hat bei
seiner Darstellung der österreichischen Schafwoll - Industrie, gewiss
nicht ohne Berechtigung, das Kronland Mähren, beziehungsweise
dessen Metropole Brünn, als Centrum gewählt.
Von gleicher, ja zu Zeiten von noch grösserer Bedeutung als
Mähren, war für den bezeichneten Industrie-Zweig unseres Kaiser
staates das nördliche Böhmen, vor Allem Beichenberg und dessen
dichtbevölkerter Industrie-Bezirk. Dieser Bezirk hat indessen erst in
jüngster Zeit seinen Geschichtschreiber gefunden, und zwar in dem
derzeitigen Secretär der dortigen Handels- und Gewerbe - Kammer
Dr. Hallwich, dessen zahlreiche, den Entwicklungsgang des Handels
und der Industrie Nord-Böhmens eingehend behandelnde Publica-
tionen, vornehmlich mit dem Buche „Reichenberg und Umgebung,
eine Ortsgeschichte mit specieller Rücksicht auf gewerbliche Ent
wicklung“ (Reichenberg, 1872, Fr. Jannasch), den uns vorliegenden
Gegenstand vollständig erschöpfen.
Im grossen Ganzen waren die Schicksale der Industrie hier wie
dort dieselben. YY ie in Mähren wurde das Wollen-Gewerbe in Böhmen
bereits im 13. Jahrhunderte durch deutsche Einwanderer begründet
und erhalten. Folgenschwerer als für jenes wurden für dieses die so
furchtbaren, alle Cultur vernichtenden Hussitenkriege. In Reichenberg,
wo erwiesenermassen im Jahre 1410 schon eine förmliche Tuch
macher-Zuntt bestand, konnte dieselbe nach Y r erlauf der nationalen
Kämpfe des 15. Jahrhunderts erst im Jahre 1579 wieder aufgerichtet
werden.
Die Geschichte der Reichenberger Tuchmacher-Zunft ist zugleich
bis auf die letzten Decennieu die Geschichte des dortigen YVollen-
Gewerbes. In dieser Beziehung verweisen wir auf den. anlässlich
der YYiener YVeltausstellung erscheinenden „Special - Katalog der
Collectiv - Ausstellung der Reichenberger Tuchmacher - Genossen
schaft“, dessen einzelne Daten füglich hier nicht wiederholt werden
können.