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Ornamente; diese Dessins sind mit nach Europa gewandert und haben
sich auch hier bis zu dem heutigen Tag erhalten.
Der Orient producirt auch heute noch jene Schaustücke, welche
einerseits bewunderungswürdige Geschicklichkeit, Farben- und For
mensinn und Ausdauer des Handwerkers documentiren, andererseits
den Charakter ihrer primitiven Herstellungsweise an sich tragen; —
die europäischen Fabrikanten bringen dagegen einen Artikel in den
Handel, der durch Schönheit, Gleichheit und feines Colorit seine Vor
bilder übertrifft, durch bedeutend niedrigeren Preis einen ausgedehn
ten Consum ermöglicht.
Frankreich und Oesterreich waren die ersten Industrie-Staaten,
welche mit Shawls den Weltmarkt versorgten und speciell Wien hat
einen hervorragenden Antheil an der technischen Fortbildung dieses
Fabrications-Zweiges, sowie an der Einführung des Artikels auf den
Hauptmärkten des Auslandes.
Im Jahre 1805 schon machten einige Wiener Fabrikanten, Gril-
ler, Hornbostel, Herrmann erfolgreiche Versuche ganze Figurentheile
mit Labetini zu brochiren, dieser Moment ist als der Anfang der
Wiener Shawl-Industrie zu betrachten.
Pertolli und Joh. Blümel in Wien brachten den Artikel auf eine
höhere Stufe, Letztgenannter gründete (1810) auch die erste Shawl-
Fabrik in erheblicherem Umfange. Im Jahre 1814 woirde schon
ein bedeutender Umsatz von den Fabrikanten Maier, Wolf, Schaller,
Blümel und Heinzei durch das erfolgreiche Streben erzielt, ein solides
Gewebe, für den allgemeinen Gebrauch berechnet, herzustellen.
Joh. Blümel erfand 1823 die Fabrication der sogenanntenDouble-
Shawls, d. s. Shawls, die auf jeder Seite einen anderen Dessin zeigen,
und deren Schussfäden daher auf der Rückseite nicht ausgeschnitten
werden; er liess sich das Verfahren patentiren, gab jedoch nach einiger
Zeit die Fabrication solcher Shawls in grösserem Maassstabe auf, weil
dieselbe Mängel im Colorit mit sich bringt, die nicht zu beseitigen
sind. Dieselbe Fabrication wurde 1843, also 20 Jahre später, in Frank
reich nacherfunden und patentirt; auch in Wien ist der Artikel in
neuerer Zeit wieder aufgegriffen worden, ohne jedoch damit andere
Resultate zu erzielen als früher.