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Dagegen behaupteten die Wiener Shawls in der ganzen Epoche
bis auf die neueste Zeit den amerikanischen Weltmarkt, und sind die
in den letzten 15 Jahren erzielten Erfolge hauptsächlich dem Unter
nehmungsgeiste einiger Fabrikanten, namentlich Hlawatsch &Isbary,
zuzuschreiben. Dieselben gründeten 1860 eine Filiale in New-York
und waren mit dem Aufwande aller zu Gebote stehenden Mittel
bemüht, das Renomme der Wiener Shawls durch eine solide Fabri-
cation aufrecht zu erhalten.
Auch nach den übrigen europäischen Ländern wurde in den
Jahren 1852—1867 noch viel Waare exportirt. Wenn die Umsätze
in den letzten nicht mehr die Höhe erreichten wie in früheren Jahren,
so liegt diess theilweise in der geänderten Geschmacksrichtung der
Damenwelt, welche sich mit Vorliebe der Confection zuwendet,
andererseits aber auch in der grossen neuerstandenen Concurrenz
Frankreichs, Englands und Deutschlands, welche den Artikel nun in
Massen produciren, während in früheren Jahren Frankreich nur hoch
feine Waare, England und Deutschland beinahe gar nichts erzeugten.
Der Wiener Shawl erhält sich indessen in der Gunst des grossen
Publicums durch seine solide, geschmackvolle Arbeit und Geschmei
digkeit des Gewebes, und kann man nur wünschen, dass dieser Theil
der Kunst-Industrie, welche tausende von fleissigen Händen in Wien
und Nieder - Oesterreich beschäftiget, durch eine Aenderung der
Damenmode wieder zur allgemeinen Geltung kommen möge.
R. Isbary.
Baumwoll-Industrie.
Zu den wichtigsten Gewerbszweigen haben jederzeit die Beklei-
dungs - Gewerbe gehört. Ein Urstoff, welchen die meisten dieser
Gewerbe benützen, ist die Baumwolle, deren Verarbeitung wieder
im Laufe der Jahrhunderte eine grossartige Umwälzung erfahren hat.
Es dürfte kaum ein Volk existiren, bei welchem das Spinnen in
alter Zeit nicht als eine speciell dem Weibe zukommende Beschäfti-
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