Seideii-Industrie.
Die Anfänge der Seidenweberei in Oesterreich reichen weit hin
ter den Zeitpunet zurück, der zum Ausgangspuncte dieses Berichtes
angenommen wurde. Die älteste in Wien hierüber vorfindliche Urkunde
ist ein Privilegium Kaiser Josefs I. vom Jahre 1710, die Bildung
einer Bruderschaft der Seidenzeug- und Brocat-Maeher betreffend.
Die Mitgliederzahl durfte bis zu 30 betragen und jeder Angehörige
derselben nicht mehr als 6 Stühle beschäftigen.
In jenem Privilegium wird dasselbe als eine Erneuerung bezeich
net, somit lassen sich also die Anfänge dieser Industrie als einem
noch früheren Zeitpuncte angehörend betrachten.
Die 1710 genannten Mitglieder jener Bruderschaft waren zumeist
Italiener, und wurden zweifelsohne von der damaligen Regierung
nach "Wien berufen, um hier ihre Kunst auszuüben und einzubürgern.
Der eigentlich fabriksmässige Betrieb der Seidenweberei datirt aus
den Zeiten Karl’s VI; das grösste Verdienst um dessen Einführung
jedoch gebührt der Kaiserin Maria Theresia und mit ihrem unver
gesslichen Sohne Josef II.
Nicht allein durch Herbeiziehung von Meistern und Hilfsarbeitern
aus dem Auslande, durch Anschaffung von Hilfsmaschinen, Gewährung
von Vorschüssen an Fabrikanten und von Erziehungsbeiträgen für
Lehrlinge wurde die Entwicklung der in Rede stehenden Industrie
zweige mächtig gefördert, sondern man suchte auch durch geeignete
Massregeln zur Hebung der Seidenzucht die betreffenden Industrien
selbständiger und weniger abhängig vom Auslande zu machen.
Heute noch zeugen die Maulbeerwälder im Süden Ungarns von jenen
Bemühungen, die leider von den Bewohnern jener Gegenden nicht
genug gewürdigt wurden, und trotz mehrfachen Erneuerungs-Ver
suchen nicht zu den gehofften Resultaten führten.
Von durchschlagendem Erfolge gekrönt waren die Massregeln
der erhabenen Regenten, soweit es sich darum handelte, der Seiden-