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Lande die Sammt-Fabrication zu Ala durch Don Alfonso Bonacquisti
(1640) eingeführt wurde und somit als Wiege jenes Industrie-Zweiges
in Oesterreich gelten kann. Auch die Seidenstoff- und Sammtband-
Fabrication wird noch in Tirol, wenn gerade nicht in so bedeutendem
Umfange wie zu Anfänge dieses Jahrhunderts, doch noch immer in
erwähnenswertem Maassstabe betrieben.
Lombardo-Yenetien verfügte über eine alte und grossartig
entwickelte Seiden-Industrie, so wie es auch seinerzeit Oesterreich
zum stärksten Bohseiden-Producenten des Oontinents machte. Wenn
trotzdem in vorliegendem Belichte jener Industrie nicht eingehender
gedacht wird, so geschieht diess sowohl unter dem Eindrücke des
unwiederbringlichen Verlustes dieser Provinzen, als auch der That-
sache, dass sich zwischen jenen Ländern und dem übiigen Oesterreich
statt einem Gefühle der Zusammengehörigkeit ein immer grösserer
Antagonismus entwickelte, der selbst in industrieller Beziehung beide
Gruppen fremd zu einander stellte.
Die klimatischen Verhältnisse Oesterreichs sind in dessen süd
lichen Theilen der Bohseiden-Erzeugung in hohem Grade günstig.
Der Bemühungen um die Einführung der Seidenzucht im südlichen
Ungarn und der Militärgrenze ist bereits gedacht worden; in neuerer
Zeit war es namentlich Hofmannsthal, dessen unermüdlicher Thätig-
keit um die Wiederbelebung jenes Erwerbs-Zweiges in hervorragender
Weise gedacht werden muss.
Enter den cisleithanischen Ländern ist es Tirol, in dessen süd
lichem Theile (dem Trentino) die Seidenzucht *) und Spinnerei bedeu
tenden Bang einnimmt, und ist die Seide Süd-Tirols ihres vortreff
lichen Urstoffes halber bekannt und geschätzt. Nächst diesem Lande
liefert noch Istrien nennenswerte Quantitäten Bohseide; in erste
*) Nachrichten über die Einführung jenes Cultur-Zweiges reichen bis
1524 zurück, in welchem Jahre die Stadt Roveredo Maulbeerbäume zur
Seidenzucht anpflanzte. Zehn Jahre später wurde daselbst die Kunst der
Seiden-Spinnerei durch einen gewissen Girolamo Savioli eingebürgert.
Der eigentlichen Seidenzucht wurde in diesem Berichte nur insoweit
gedacht, als es zur Vervollständigung des Gesammt-Bildes wünschenswert
erschien. Nur diesem Umstande ist es zuzuschreiben, wenn hier so mancher,
um die Seidenzucht hochverdienter Männer, wie Professor Friedrich Haber-
landt, Dr. Ruggero Cobelli (Roveredo) und andere mehr, keine nähere Erwäh
nung geschieht.